Wohnungsbaugipfel:Habeck will schärfere Energiestandards für Neubauten aussetzen

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Wirtschaftsminister Robert Habeck bei einer Sitzung im Bundestag. (Foto: Imago/dts Nachrichtenagentur)

Vor dem Gipfel rückt der Wirtschaftsminister von geplanten Klimaschutzvorgaben ab. Zudem sollen mehr Familien zinsgünstige Baukredite bekommen.

Vor dem Wohnungsgipfel an diesem Montag im Kanzleramt rückt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von geplanten Klimaschutzvorgaben zur stärkeren Dämmung neuer Häuser ab. "Mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes ist sichergestellt, dass Neubauten ab 2024 klimafreundlich heizen. Deshalb halte ich es nicht mehr für nötig, jetzt auf die Schnelle den neuen Standard EH 40 einzuführen", sagte der Grünen-Politiker, der auch Klimaschutzminister ist, der Nachrichtenagentur Reuters. "Das kann noch warten, vor der EU-Gebäuderichtlinie macht es auch keinen großen Sinn. Daher sehe ich diesen neuen Standard in dieser Legislaturperiode nicht mehr." Die von der Baubranche immer wieder kritisierten Pläne werden damit wohl bis Ende 2025 nicht kommen.

Bauexperten argumentieren, noch strengere Vorgaben zur Dämmung von Neubauten seien sehr teuer, ohne aber für deutlich mehr Klimaschutz zu sorgen. Habeck sagte, es gehe jetzt darum, stärker die Baustoffe in den Blick zu nehmen, so dass diese möglichst klimafreundlich seien. "Bei der für 2024 geplanten Novellierung des Vergaberechts werden wir deshalb dafür Sorge tragen, dass Nachhaltigkeitskriterien unbürokratischer, einfacher und dadurch besser zum Tragen kommen."

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Häuser, die nach dem EH-40-Standard ("Effizienzhaus/Effizienzgebäude 40") gebaut sind, benötigen nur 40 Prozent der Primär­energie im Vergleich zu einem Standard-Vergleichsbau. Die Pflicht, nach diesem Standard zu bauen, wird nun nicht umgesetzt. Es bleibt damit beim Effizienzhaus-Standard EH 55, der derzeit wegen der staatlichen Förderung de facto der Standard für Neubauten ist. "Im Vergleich zum gesetzlichen Neubaustandard ist das KfW-55-Haus um 45 Prozent sparsamer", so die staatliche Förderbank KfW auf ihrer Homepage.

Wegen der aktuellen Krise der Baubranche hatte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) bereits die Verschärfung der Energiestandards infrage gestellt. EH 40 sollte eigentlich von Anfang 2025 an vorgeschrieben werden. Die Abkehr davon ist ein Zugeständnis an die kriselnde Baubranche. Im ersten Halbjahr 2023 sind die Baugenehmigungen um gut 27 Prozent eingebrochen. Die Baupreise waren im zweiten Quartal um knapp neun Prozent zum Vorjahr gestiegen. Vor allem Projektentwickler kämpfen in vielen Fällen ums Überleben.

Die Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte zuletzt bereits bessere Abschreibungsmöglichkeiten auf den Weg gebracht. Zudem sollen mehr Familien als bisher zinsgünstige Baukredite bekommen. Die staatlich geförderten Kredithöchstbeträge sollen um 30 000 Euro angehoben, heißt es in einem Beschlusspapier der Bundesregierung zum Wohnungsgipfel am Montag im Kanzleramt. "Außerdem wird die Grenze des zu versteuernden Einkommens, bis zu dem ein zinsvergünstigtes Darlehen beantragt werden kann, von 60 000 Euro im Jahr auf 90 000 Euro im Jahr angehoben." Die Immobilienbranche kritisierte jedoch, es gebe nur kleinteilige Hilfsangebote der Regierung.

In dem sechsseitigen Papier werden 14 Maßnahmen aufgelistet, die teilweise aber bereits bekannt oder Absichtserklärungen sind. Das Papier liegt der Nachrichtenagentur Reuters vor, der Spiegel hatte zuerst darüber berichtet.

Union fordert Absage des Gipfels

Nachdem der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen und der Eigentümerverband Haus & Grund ihre Teilnahme an dem Gipfel in der vergangenen Woche abgesagt haben, sieht die Union das Treffen zum Scheitern verurteilt. "Der Kanzler muss den Gipfel absagen und einen Neustart in der Baupolitik vornehmen", sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Ulrich Lange (CSU) der Augsburger Allgemeinen. Kanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz hätten das Vertrauen der Branche verspielt.

Die Unionsfraktion werde nun einen "Bau-Turbo" als Antrag im Bundestag einbringen, kündigte der CSU-Wohnpolitiker dem Vorabbericht zufolge an. Die Zeitung zitierte aus dem geplanten Antrag von CDU und CSU. Demnach soll den Ländern die Möglichkeit eröffnet werden, "bei der Grunderwerbsteuer einen Freibetrag von 250 000 Euro pro Erwachsenen und 150 000 Euro pro Kind für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum einzuführen".

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Es dürfte eher unwahrscheinlich sein, dass Scholz den Gipfel, der um 14 Uhr beginnen soll, spontan absagt. Es sollen "ganz konkrete Dinge" besprochen werden, wie mehr Wohnungen gebaut werden können, sagte Scholz. Gebraucht werde zum Beispiel mehr Bauland, das in den Kommunen ausgewiesen werden müsse. Der Kanzler will außerdem mehr Bauen in Serie ermöglichen.

Wirtschaftsminister Habeck betonte zudem, dass gezielte Impulse für die Baubranche geplant seien, "etwa indem wir steuerliche Anreize schaffen, Investitionen vorzuziehen". Auch gezielte Sanierungsanreize soll es geben. "Das kann die Baukonjunktur anschieben und Fläche und Energiekosten bei bestehenden Gebäuden sparen."

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