Migrationspolitik:Bundesregierung will Abschiebungen erleichtern

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Illegal eingereiste Migranten sitzen vor der Bundespolizei in Roggosen in Brandenburg. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Längere Haft, leichtere Rückführung von Straftätern, mehr Befugnisse bei der Feststellung der Identität von Geflüchteten: Mit einem Zehn-Punkte-Plan will die Ampelkoalition Abschiebungen vereinfachen. Sie reagiert damit auf jüngste Wahlerfolge der AfD.

Von Markus Balser, Daniel Brössler und Constanze von Bullion, Berlin

Aufgeschreckt auch durch die jüngsten Wahlerfolge der AfD will die Bundesregierung ihre Asylpolitik korrigieren. Neben erleichterten Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerber geht es dabei vor allem um beschleunigte Abschiebungen. Am Mittwoch einigten sich die Koalitionsspitzen auf zehn Maßnahmen, mit denen Rückführungen in Herkunftsländer erleichtert werden sollen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) legte einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

Das Papier sieht weitreichende Änderungen vor. So soll die Zeit erheblich verlängert werden können, in der ausreisepflichtige Asylbewerber im sogenannten Ausreisegewahrsam festgehalten werden können, beispielweise im Transitbereich eines Flughafens. Die Höchstdauer eines solchen Aufenthalts liegt hier derzeit bei zehn Tagen, sie soll auf 28 Tage verlängert werden. Damit würden die Behörden mehr Zeit bekommen, eine Abschiebung vorzubereiten, argumentiert das Ministerium. Auch Straftäter, Schleuser und Mitglieder krimineller Vereinigungen sollen leichter abgeschoben werden können. "Wer in Deutschland kein Bleiberecht hat, muss unser Land wieder verlassen", sagte Faeser. Es gebe "erheblichen Änderungsbedarf" bei den Regeln.

Wer etwa zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, soll wegen eines besonders schwerwiegenden "Ausweisungsinteresses" künftig leichter abgeschoben werden können. Bei Mitgliedern krimineller Vereinigungen soll eine Abschiebung schon bei hinreichenden Tatsachen möglich werden, die eine solche Mitgliedschaft belegen. Bislang war eine individuelle strafgerichtliche Verurteilung Voraussetzung.

Mehr Befugnisse sollen die Behörden auch zur Feststellung der Identität von Geflüchteten bekommen. So soll die Durchsuchung von Wohnungen nach Datenträgern und Unterlagen möglich werden, um diese zweifelsfrei zu klären. Auch die Durchsuchungsmöglichkeiten in Gemeinschaftsunterkünften werden erweitert. Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote werden dem Entwurf zufolge künftig zu einem Grund für die Abschiebehaft.

Asylbewerber sollen schneller arbeiten dürfen

Verschärft werden auch die Vorgaben, nach denen Asylbewerber über eine geplante Abschiebung informiert werden müssen. Denn zwei von drei Abschiebungen scheitern. Um zu verhindern, dass abgelehnte Asylbewerber versuchen, sich der Abschiebung zu entziehen oder zu widersetzen, soll nach den Plänen der Bundesregierung die dreimonatige Ankündigungspflicht entfallen, wenn abgelehnte Asylbewerber länger als ein Jahr in Deutschland geduldet wurden. Ausnahmen gelten für Familien mit Kindern unter zwölf Jahren.

Neben der geplanten Verschärfung der Rückführungsregeln ist aber auch geplant, Erleichterungen zu schaffen. So sollen die strengen Arbeitsverbote für Asylbewerber gelockert werden. Bisher dürfen sie drei Monate nach ihrer Ankunft in Deutschland überhaupt nicht erwerbstätig werden. Nach dieser Zeit ist nur denjenigen eine Arbeitsaufnahme erlaubt, die nicht verpflichtet sind, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu leben. Erst nach neun Monaten dürfen auch Asylbewerber in Erstaufnahmeeinrichtungen arbeiten. Diese Wartefrist will die Bundesregierung nun auf sechs Monate verkürzen. Auch für Menschen, die in Ausbildung sind und mit einer Duldung in Deutschland leben, soll es Erleichterungen geben.

Für einige Gruppen allerdings soll es bei strikten Arbeitsverboten bleiben. Wer aus einem sicheren Herkunftsland stammt, also absehbar abgeschoben wird, soll keine Erwerbstätigkeit aufnehmen können. Das gilt nach Faesers Plänen auch für Menschen, die ihre Identität mutwillig verschleiert haben oder deren Asylantrag bereits rechtskräftig abgelehnt ist.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte die Erwartung, dass in diesem Jahr 300 000 Migranten "oder auch mehr" nach Deutschland kommen könnten. "Das sind mehr, als sich leicht bewältigen lassen", sagte er am Mittwochabend bei einer Konferenz der SPD-Bundestagsfraktion. Er habe CDU-Chef Friedrich Merz zusammen mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) sowie dessen Kollegen aus Hessen und Niedersachsen, Boris Rhein (CDU) und Stephan Weil (SPD), für Freitagabend ins Kanzleramt eingeladen. Es wäre gut, "wenn man in der Sache zusammenarbeitet", betonte Scholz: "Ich glaube, dass ist ein Thema, wo der Staat zeigen muss, dass er Dinge unter Kontrolle hat."

Bei dem Treffen dürfte vor allem Merz seine Forderung nach einem Deutschlandpakt in der Migrationsfrage bekräftigen. Scholz hatte bisher wenig Interesse an einem Pakt in diesem Bereich signalisiert und vor allem beim Bürokratieabbau und der Planungsbeschleunigung den Schulterschluss mit der Opposition und den Ländern gefordert. Die Erwartungen an das Treffen am Freitagabend waren sowohl auf der Seite des Bundes als auch der Länder entsprechend gedämpft. Von Seiten unionsgeführter Bundesländer wird Scholz angekreidet, dass er nicht zum Treffen der Ministerpräsidenten an diesem Donnerstag in Frankfurt kommt.

Bei der Ministerpräsidentenkonferenz wollen sich die unionsgeführten Länder für eine härtere Gangart in der Asylpolitik einsetzen. Die Vorschläge zur Verbesserung der Rückführung sollten "schnellstmöglich" in ein Gesetzgebungsverfahren überführt werden, heißt es in einem der SZ vorliegenden Entwurf. Gefordert wird außerdem, Marokko, Tunesien, Algerien sowie Armenien und Indien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. "Unsere Kommunen sind am Limit - und unsere Gesellschaft ist es auch", sagte Wüst.

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