Der britische Supreme Court hat die von Premierminister Johnson angeordnete Parlamentspause, die sogenannte Prorogation, für unrechtmäßig erklärt. Bei dem Gericht waren zwei Klagen dagegen eingegangen. Das höchste Gericht stellt einstimmig fest, dass der Regierungschef gegen das Gesetz verstoßen habe, als er bei Königin Elizabeth II. die fünfwöchige Parlamentspause erwirkte. Er verleitete damit auch die Queen zu einer unrechtmäßigen Handlung.
Die Pause ist damit ungültig und das Gericht forderte die Sprecher des Unter- und des Oberhauses auf, wieder an die Arbeit zu gehen. Der Speaker des Unterhauses, John Bercow, kündigte an, sich sofort mit den Parteichefs der im Parlament vertretenen Parteien zu treffen und das Unterhaus so schnell wie möglich wieder tagen zu lassen.
Großbritannien:Johnson will an seinen Brexit-Plänen festhalten
Auch nach der Entscheidung des obersten britischen Gerichts, die Zwangspause des Parlaments für unzulässig zu erklären, lehnt Premier Johnson einen Rücktritt ab. Parlamentssprecher Bercow hat das Unterhaus für Mittwoch wiedereinberufen. Die historische Entscheidung zum Nachlesen.
Joanna Cherry, die vor einem schottischen Gericht gegen die Pause geklagt hatte, forderte den Premierminister nach dem Urteil zum Rücktritt auf. Die Parteichefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, und Labour-Chef Jeremy Corbyn schlossen sich dieser Forderung an. Gina Miller, eine andere Klägerin, sprach von einem "großen Tag für die Gewaltenteilung und den Rechtsstaat". Und die grüne Parlamentsabgeordnete Caroline Lucas ging sogar so weit, die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung und eine geschriebene Verfassung zu fordern. "Wir können uns nicht mehr auf Gentlemen's Agreements verlassen, die nicht mehr gelten", so Lucas.
Vor dem Urteil hatte es unterschiedliche Urteile anderer Gerichte gegeben
Bei der dreitägigen Anhörung vor dem Supreme Court in der vergangenen Woche hatte Kläger-Anwalt Lord David Pannick gefordert, dass die Abgeordneten "so bald wie möglich" wieder zusammentreten sollten. Regierungsanwalt Lord Richard Keen warnte das Gericht hingegen vor einer solchen Entscheidung. Es handle sich um "verbotenes Terrain" für die Gerichtsbarkeit.
Vor der Entscheidung des Supreme Court hatte es gegenläufige Entscheidungen untergeordneter Instanzen gegeben. Das oberste schottische Gericht hatte Johnson vorgeworfen, die Königin über seine wahren Absichten für die Parlamentspause getäuscht zu haben: nämlich die Abgeordneten kaltzustellen. Der High Court in London hatte dagegen eine Klage gegen die Zwangspause abgelehnt. Demzufolge handelt es sich um eine rein politische Angelegenheit.
Vor Zwangspause Gesetz gegen No-Deal-Brexit verabschiedet
Trotz der Zwangspause, die in der Nacht zum 10. September in Kraft trat, konnte Johnson nicht verhindern, dass die Abgeordneten zuvor ein Gesetz gegen den No-Deal-Brexit durchs Parlament peitschten. Es verpflichtet den Premier zum Antrag auf eine Verschiebung des EU-Austritts, sollte nicht rechtzeitig vor dem Brexit-Datum am 31. Oktober ein Abkommen mit der EU ratifiziert sein. Dem will sich Johnson jedoch nicht beugen.
Der Regierungschef droht mit einem ungeregelten EU-Austritt, sollte Brüssel seinen Forderungen nach Änderungen am Austrittsvertrag nicht nachkommen. Auch dieser Fall könnte vor Gericht landen. Der britische Premierminister will den fertigen Austrittsvertrag vor allem in einem Punkt ändern: Die von der EU geforderte Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland (Backstop) will er streichen.