Brexit:Richter durchkreuzen Johnsons Pläne

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Der Versuch des britischen Premiers Johnson, das Parlament in eine Zwangspause zu schicken, sei illegal, urteilte ein schottisches Gericht. (Foto: REUTERS)
  • Ein schottisches Gericht hat die Zwangspause des britischen Parlaments für unrechtmäßig erklärt.
  • Der britische Premierminister Johnson hatte bei der Queen eine fünfwöchige Sitzungspause, eine sogenannte Prorogation beantragt, angeblich um eine Regierungserklärung vorzubereiten.
  • Die Richter urteilten jetzt, die Regierung sei von dem "unangemessenen Ziel geleitet gewesen, das Parlament auszuschalten".

Von Cathrin Kahlweit, London

Das höchste schottische Berufungsgericht hat die Zwangspause des britischen Parlaments, die von der Regierung beschlossen worden war, für unrechtmäßig erklärt. Die Richter erklärten, die Regierung unter Boris Johnson sei von dem "unangemessenen Ziel geleitet gewesen, das Parlament auszuschalten". Die Zwangspause sei "ungesetzlich". Das Gericht deutete an, auch die Queen, welche die Zwangspause genehmigen musste, sei in die Irre geführt worden.

Eine erste Instanz hatte die Klage, die von 75 Abgeordneten unter Führung der Schottin Joanna Cherry angestrengt worden war, abgewiesen. Eine umgehende Öffnung des Parlaments wies das schottische Berufungsgericht aber nicht an; es verwies vielmehr auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs am kommenden Dienstag. Dies soll letztgültig über diese Klage sowie zwei weitere, ähnliche Verfahren urteilen, die parallel in London und Belfast anhängig sind. In erster Instanz hatte ein Gericht in London in dem Prozess, der auch von Ex-Tory-Premier John Major unterstützt wird, entschieden, dies sei keine juristische, sondern eine politische Frage. Die drei Verfahren werden nun beim Verfassungsgericht gebündelt.

Ungewöhnliche Länge der Parlamentspause

Über die konkreten Folgen des Richterspruchs herrschte in London am Mittwoch Verwirrung. Einige Abgeordnete forderten, die Unterhaussitzungen umgehend wieder aufzunehmen. Der ehemalige Tory-Abgeordnete Dominic Grieve sagte, wenn Johnson "die Queen belogen habe", müsse er zurücktreten. Ein Regierungssprecher "bedauerte" den Richterspruch. Downing Street will Berufung vor dem Obersten Gerichtshof einlegen. Die Regierung weigert sich aber, vor dem Urteil des Höchstgerichts Konsequenzen zu ziehen.

Die Klageführer in Edinburgh hatten argumentiert, die fünfwöchige Prorogation des Parlaments sei unrechtmäßig, weil sie nicht, wie von Downing Street argumentiert, zur Vorbereitung der Regierungserklärung am 14. Oktober diene. Sie ziele vielmehr darauf, das Parlament in seiner Arbeit zu behindern. Darauf deute allein schon die außergewöhnliche Länge der Prorogation hin; normalerweise dauert die Parlamentspause maximal zwei Wochen.

Die Tonlage gegenüber Johnson wird schärfer

Bei der Verhandlung in erster Instanz vergangene Woche waren Unterlagen an die Öffentlichkeit gelangt, die belegen, dass Johnson die Schließung des Unterhauses schon Mitte August, als das Parlament noch in der Sommerpause war, geplant hatte. In den Dokumenten fanden sich auch Bemerkungen, die zeigen, dass Johnson die Debatte im Parlament über den Brexit für unnötig, ja lästig hielt. Öffentlich hatte der Premier beteuert, die Dauer der Prorogation sei "normal" und die Abgeordneten hätten genug Zeit zu debattieren.

Allerdings hatten die Parlamentarier die kurze Zeit bis zur Zwangspause, die in der Nacht zum Dienstag in Kraft trat, tatkräftig genutzt: Sie beschlossen ein Gesetz, das Johnson verbietet, die EU ohne Deal zu verlassen - und verweigerten ihm Neuwahlen. Die Tonlage gegenüber Johnson wird derweil immer schärfer. Gewerkschaftschef Len McClusky drohte Johnson, er könne im Gefängnis landen, wenn er sich nach Schottland wage.

© SZ vom 12.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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