Bosnien-Herzegowina:"Nicht an einer inszenierten Theateraufführung teilnehmen"

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Der CSU-Politiker Christian Schmidt hatte in jüngster Zeit mit Rückendeckung aus Washington und London die Gangart gegenüber den serbischen Sezessionisten verschärft. (Foto: Thomas Imo/Imago)

Der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina sagt seinen Besuch in der serbischen Teilrepublik ab, weil ihm mit Verhaftung gedroht wurde. Unterdessen dreht Präsident Dodik weiter an der Eskalationsschraube.

Von Tobias Zick

Am Ende hat er die Sache dann doch abgeblasen. Eigentlich hatte Christian Schmidt, Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina, geplant, am Dienstag nach Banja Luka zu fahren, die größte Stadt in der Republika Srpska, der serbischen Teilrepublik des Landes. Doch dann sagte er die Fahrt kurzfristig ab. Er wolle "nicht an einer inszenierten Theateraufführung teilnehmen", erklärte sein Büro daraufhin. Die Entscheidung, nicht zu fahren, habe Schmidt "im Interesse aller Bürger von Bosnien-Herzegowina" getroffen.

Unter den aktuellen Umständen hätte sein Besuch in Banja Luka wohl in der Tat einigen Aufruhr auslösen können. Denn der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, hat zuletzt mehrmals gedroht, Schmidt verhaften zu lassen, wenn der in den Landesteil einreisen sollte.

Unterstützt wird Dodik vom Kreml - und von Viktor Orbán

Es ist die neueste Drehung an der Eskalationsschraube, mit der Dodik schon seit Langem spielt: Seit Jahren treibt er mit seiner Politik den Landesteil in Richtung Sezession, zugleich arbeitet er daran, die Institutionen des Gesamtstaats Bosnien-Herzegowina zu untergraben. Unterstützt wird er dabei unter anderem vom Kreml - und von Viktor Orbán, Regierungschef des EU-Staats Ungarn. So erklärt sich nicht zuletzt die eher weiche Linie der Europäischen Union gegenüber Dodik, während die USA und Großbritannien längst Sanktionen gegen ihn verhängt haben.

Der CSU-Politiker Schmidt, der im Auftrag der internationalen Gemeinschaft in Sarajevo über die Einhaltung des Dayton-Abkommens wacht, das 1995 den Bosnienkrieg beendete, hat in jüngster Zeit mit Rückendeckung aus Washington und London die Gangart gegenüber dem Sezessionisten Dodik verschärft. So verfügte er Anfang Juli Änderungen im Strafgesetzbuch, wonach Beamte, die sich den Entscheidungen des Hohen Repräsentanten widersetzen, künftig mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können.

Auf Basis dieser Gesetze hat inzwischen die Staatsanwaltschaft des Landes Anklage gegen Dodik erhoben. Dessen Drohungen, seinerseits den Hohen Repräsentanten verhaften zu lassen, sind eine offenkundige Retourkutsche. Zudem marschierten auf Geheiß von Dodiks Partei SNSD mehrere Hundert Demonstranten an der Grenze zwischen den beiden Landesteilen auf. Derartige Aufmärsche würden "weitergehen, solange die Serben in Bosnien-Herzegowina bedroht sind", sekundierte Željka Cvijanović, die serbische Vertreterin im dreiköpfigen Präsidium des Gesamtstaats.

Schmidt will sein Mandat weiterhin "auf dem gesamten Territorium" ausführen

Nach den Drohungen aus Dodiks Mund hatte Schmidt bekräftigt, er werde sich davon nicht beirren lassen und seine Arbeit in allen Teilen des Landes fortsetzen. Vor der für Dienstag geplanten Fahrt nach Banja Luka hatten allerdings offenbar mehrere Teilnehmer von bis dato noch lose geplanten Terminen öffentlich verkündet, Schmidt werde kommen - und auf die Weise ein Aufsehen erregt, das aus Sicht von Schmidts Büro wohl mehr Schaden als Nutzen gebracht hätte. "Überhitzte Spekulationen darüber, wohin der Hohe Repräsentant fahren und wen er treffen könnte, lenken von der eigentlichen Arbeit ab, die getan werden muss, um die wirklichen Belange der Menschen Bosnien-Herzegowinas anzugehen", heißt es in dem Statement aus seinem Büro.

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Zugleich wird darin bekräftigt, Schmidt werde auch weiterhin sein Mandat "auf dem gesamten Territorium von Bosnien-Herzegowina ausüben, so wie im Dayton-Abkommen festgeschrieben". Unter anderem werde er Gespräche mit Regierungsmitgliedern über die Situation jener Menschen führen, die seinerzeit im Krieg aus ihren Dörfern vertrieben wurden und inzwischen zurückgekehrt sind oder dies beabsichtigen. Für viele von ihnen ist die Lage in jüngster Zeit immer schwieriger geworden, sie leiden unter der aufgeheizten Stimmung, die völkische Nationalisten wie Milorad Dodik schüren. Der legte am Mittwoch mit neuer Sezessionsrhetorik nach und frohlockte, es hätten ihm eine Reihe von Armeemitgliedern ihre Bereitschaft versichert, sich aus dem gesamtstaatlichen Militär auf das Territorium der Republika Srpska zurückzuziehen.

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