Brasilien:Ein Präsident als Fälscher?

Lesezeit: 3 min

Ist er geimpft? Oder hat er in seinem Impfausweis falsche Angaben gemacht? Jair Bolsonaro, Ex-Präsident Brasiliens, gerät unter Druck. (Foto: Eraldo Peres/AP)

Ermittlungen, Vorladungen und nun auch noch eine Hausdurchsuchung wegen gefälschter Impfdaten: Brasiliens rechtsextremer Ex-Präsident Jair Bolsonaro gerät immer stärker unter Druck.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Am Ende eines langen Tages mit Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Anschuldigungen, Rechtfertigungen und wohl beinahe auch Tränen, stand in Brasilien am Mittwoch eines fest: Jair Bolsonaro gerät immer stärker unter Druck. Der rechtsextreme Ex-Präsident könnte bald von politischen Ämtern ausgeschlossen werden - und am Ende sogar im Gefängnis landen.

Schon am frühen Mittwochmorgen hatte die brasilianische Bundespolizei begonnen, mehr als ein Dutzend Immobilien zu durchsuchen, darunter auch das Wohnhaus von Jair Bolsonaro in der Hauptstadt Brasília. Die Mobiltelefone des Präsidenten wurden beschlagnahmt, später laut Medienberichten sogar sein Reisepass eingezogen. Dazu wurden sechs Mitarbeiter Bolsonaros festgenommen, darunter zwei Sicherheitsmänner und ein enger Berater.

Ihnen und dem rechtsextremen Ex-Präsidenten wird vorgeworfen, Teil einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein, die gefälschte Impfdaten in die Netze des brasilianischen Gesundheitssystems eingespeist haben soll. "Auf diese Weise konnten die Personen Impfbescheinigungen ausstellen und sie nutzen, um die von den öffentlichen Behörden (Brasilien und USA) auferlegten sanitären Beschränkungen zu umgehen", heißt es in der von der Bundespolizei veröffentlichten Erklärung.

Bolsonaro hatte die Gefahren des Virus stets kleingeredet

Tatsächlich reiste Bolsonaro während der Pandemie mindestens dreimal in die Vereinigten Staaten und stets kam dabei die Frage auf, ob das damalige Staatsoberhaupt gegen den Covid-19-Erreger immunisiert ist oder nicht. Bolsonaro hatte die Gefahren des Virus stets kleingeredet und gleichzeitig vor angeblichen Nebenwirkungen der Impfstoffe gewarnt. 700 000 Menschen sind in Brasilien laut offiziellen Angaben an oder im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Kritiker sagen, auch der rechtsextreme Ex-Präsident trage daran Mitschuld, unter anderem, weil er den Kauf von Impfstoffen aus politischen Gründen sabotiert habe.

Bolsonaro selbst hatte jedenfalls stets beteuert, nicht immunisiert zu sein gegen Covid-19. Und auch am Mittwoch sagte er noch einmal zu Reportern vor seinem Haus in Brasília: "Ich bin nicht geimpft. Punkt."

Der rechtsextreme Ex-Präsident steht aber nun vor einem Dilemma. Denn entweder sind die Impfdaten falsch, die für ihn und seine zwölfjährige Tochter Laura beim brasilianischen Gesundheitssystem hinterlegt worden sind; oder aber Bolsonaro sagt in Bezug auf seine Immunisierung nicht die Wahrheit, allen Beteuerungen, sich nicht geimpft zu haben, zum Trotz. Ersteres würde Probleme mit Behörden nach sich ziehen und wäre vermutlich sogar eine strafbare Handlung. Letzteres wiederum käme einem Verrat an Bolsonaros politischer Basis gleich.

"Es gab keinen Betrug von meiner Seite."

Noch am Mittwoch hätte Jair Bolsonaro eigentlich vor der Bundespolizei erscheinen sollen. Am Ende aber verweigerte er die Aussage. Stattdessen gab er dem rechten Sender Jovem Pan ein Interview, bei dem er allem Anschein nach mit den Tränen kämpfte: "Während meiner Besuche in den USA wurde zu keinem Zeitpunkt ein Impfausweis verlangt", sagte er. Die Behandlung von Staatsoberhäuptern sei anders als die von normalen Bürgern. "Es gab keinen Betrug von meiner Seite."

Die Behörden wollen nun die gesammelten Beweise auswerten, um festzustellen, ob Bolsonaro tatsächlich an der Fälschung seiner Impfausweise beteiligt gewesen sein könnte. Gleichzeitig laufen aber auch noch eine ganze Reihe weiterer Verfahren gegen das ehemalige Staatsoberhaupt: Allein im letzten Monat wurde Jair Bolsonaro zweimal bei der Bundespolizei verhört, einmal im Zusammenhang mit möglicherweise illegal einbehaltenen Juwelengeschenken der saudischen Regierung für ihn und seine Ehefrau; zum anderen wegen seiner möglichen Beteiligung an den Ausschreitungen am 8. Januar in Brasília, bei denen Anhänger des rechten Präsidenten das Regierungsviertel in der Hauptstadt stürmten.

Seit seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt genießt der rechtsextreme Politiker keine Immunität mehr vor Strafverfolgung. Und im Falle einer Verurteilung könnte er in Zukunft von politischen Ämtern ausgeschlossen sein.

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Brasiliens aktueller Präsident, der linke Luiz Inácio Lula da Silva, hatte bereits im Wahlkampf versprochen, im Falle eines Sieges fragwürdige Handlungen der Regierung Bolsonaros untersuchen zu lassen. "Ich werde die Brasilianer wissen lassen, warum Sie so viel verstecken", sagte Lula. Seit 1. Januar ist er nun im Amt und er hat begonnen, viele der Geheimhaltungssiegel zu überprüfen, welche von der Vorgängerregierung über Dokumente verhängt worden waren.

Während am Mittwochmorgen die Bundespolizei in Brasília das Haus von Jair Bolsonaro durchsuchte, postete Lula eine fröhliche Kurznachricht bei Twitter: "Guten Morgen und einen schönen Mittwoch euch allen!"

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