Geheimdienste:Kanzleramt zieht Gesetz über Kontrolle des BND zurück

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Besonders Grüne und FDP fordern, die Arbeit von BND (hier die Zentrale in Berlin) und Verfassungsschutz engmaschiger zu kontrollieren. (Foto: Imago)

Die Überwachungsmaßnahmen der deutschen Geheimdienste sollen strenger überprüft werden - so der Plan der Ampel. Ein neues Gesetz liegt aber vorerst auf Eis. Die Kontrolleure selbst haben grundsätzliche Bedenken.

Von Christoph Koopmann

Die deutschen Geheimdienste sollen weniger geheim arbeiten, das hatte die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt. Vor allem mehr und bessere Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen sollte es geben. Aber daraus wird nun erst mal nichts. Das Kanzleramt, dem der Bundesnachrichtendienst (BND) untersteht, hat laut einem Bericht der Welt am Sonntag ausgerechnet diesen wichtigsten Teil der Reformbemühungen vorerst zurückgezogen.

Eigentlich sollte ein entsprechender Gesetzentwurf zur Neuordnung der Kontrolle des BND demnach am kommenden Mittwoch durchs Kabinett gehen. Anfang vergangener Woche dann aber der Stopp durchs Kanzleramt. Dass das Gesetz wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten kann, davon hat man sich offenbar verabschiedet.

Zu den Gründen macht die Bundesregierung öffentlich keine Angaben. Ausgerechnet die Geheimdienstkontrolleure selbst hatten die Pläne vorab fundamental kritisiert. Mit dem geplanten "Gesetz über den Unabhängigen Kontrollrat" (UK-Rat) sollte dessen Arbeit neu geregelt werden. Das Gremium aus sechs Richterinnen und Richtern urteilt seit Anfang 2022 über die technischen Überwachungsmaßnahmen des BND. Der Rat wurde als oberste Bundesbehörde aufgestellt, auf gleicher Stufe mit Ministerien, und unterliegt damit niemandes Aufsicht.

Der Plan hätte "politische Einflussnahme" bedeutet, kritisiert CDU-Mann Kiesewetter

Nun sorgt sich offenbar Josef Hoch, der Präsident des UK-Rats, früher Richter am Bundesgerichtshof, um diese Unabhängigkeit von der Politik. Denn der Entwurf aus dem Kanzleramt sah vor, dass neue Mitglieder des Gremiums nicht mehr wie bisher vom Bundesgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht vorgeschlagen werden, sondern sich nur bei den Geheimdienstkontrolleuren des Bundestags bewerben sollen. Außerdem soll der Rat künftig transparent machen, wenn seine Mitglieder sich mal nicht einig waren - in der Ampelkoalition herrscht Verwunderung darüber, dass der Rat die Überwachungswünsche des BND fast immer genehmigt.

Außerdem fürchten die Mitglieder des UK-Rats, dass ihre Arbeit bürokratischer wird, wenn wie geplant jedem Mitglied ein Fachbereich zugeordnet würde und sie nicht mehr wie bisher die Themen flexibel verteilen könnten. Zudem verwahrt sich der Rat gegen striktere und transparentere Berichtspflichten. Die Mitglieder haben deshalb sogar einen eigenen Gesetzentwurf ausgearbeitet.

UK-Rats-Präsident Hoch sagte Welt am Sonntag, Unabhängigkeit sei zwingende Voraussetzung für die Arbeit des Gremiums, es dürfe nicht "zu einer Art Hilfsorgan" der Politik werden. Roderich Kiesewetter, für die CDU Geheimdienstaufseher im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags, sagte der SZ: "Eine politische Einflussnahme auf die Dienste, wie es der Gesetzesentwurf vorsah, schadet den Fähigkeiten der Dienste und damit der Sicherheit Deutschlands." SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann, ebenfalls im Nachrichtendienstausschuss, entgegnet, auch die Kontrollorgane wie der UK-Rat müssten ihre Arbeit überprüfen lassen.

Kontrolliert das Richtergremium bald auch den Verfassungsschutz?

Besonders Grüne und FDP fordern, die Arbeit von BND und Verfassungsschutz engmaschiger zu kontrollieren. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht schon 2020 verlangt. Gleichzeitig wollen die beiden Koalitionspartner besonders die parlamentarische Kontrolle nicht weiter schwächen - vor Einrichtung des UK-Rats konnten die Abgeordneten aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium noch selbst einsehen, wen der BND abhört.

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Der vorläufige Stopp des neuen Gesetzes liegt auch nicht unbedingt an der Kritik aus dem UK-Rat, heißt es aus Koalitionskreisen, sondern eher an Uneinigkeit innerhalb der Ampel über die Kompetenzverteilung: Es gibt Überlegungen, den UK-Rat nicht mehr nur die technische Überwachung durch den Auslandsgeheimdienst kontrollieren zu lassen, sondern auch den Einsatz menschlicher Quellen. Außerdem könnte das Gremium bald auch für die Kontrolle des Verfassungsschutzes zuständig werden. Aufgekommen war die Idee im SPD-geführten Innenministerium, Bei Grünen und FDP fürchtet man, dass am Ende das Parlamentarische Kontrollgremium noch weniger Einblick in die Arbeit der Geheimdienste hat.

CDU-Mann Kiesewetter sieht das Gerangel mit Sorge. "Es nützt nichts, stolz darauf zu sein, die am besten kontrollierten Dienste der Welt zu haben, besser wäre es, die leistungsfähigsten Nachrichtendienste zu haben." Angesichts der hybriden Bedrohungen, denen Deutschland ausgesetzt ist, sei das zwingend nötig.

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