Gesellschaftsgeschichte:Die Linken und die Black Panther

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Nicht auf Augenhöhe: Der Wortführer der Studentenbewegung Rudi Dutschke (rechts) auf einer Demonstration in Berlin im Gespräch mit dem Black-Power-Aktivisten Dale A. Smith. (Foto: Thomas Hesterberg/SZ Photo)

Pablo Schmelzer erforscht ein bislang wenig bekanntes Terrain: Die westdeutschen 1968er solidarisierten sich mit den Schwarzen und ihrem Kampf in den USA. Doch das Verhältnis war geprägt von gegenseitigen Missverständnissen und Fehlinterpretationen.

Von Werner Bührer

Im Sommer 1967 reiste eine Delegation des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes nach London, um an einem Kongress über die "Dialektik der Befreiung" teilzunehmen. Mit dabei war auch Bernward Vesper, Sohn des völkisch-nationalsozialistischen Dichters Will Vesper und damals noch mit Gudrun Ensslin zusammen.

"Hier treffen Welten aufeinander", fasste Vesper seine Eindrücke rückblickend zusammen: Auf der einen Seite Allen Ginsberg, pazifistischer Poet der Beat Generation, und auf der anderen Stokely Carmichael, radikal-militanter Repräsentant der Black-Power-Bewegung. Letzterer habe, jedenfalls nach Vespers Erinnerung, die Frage eines weißen Zuhörers, was er zum Kampf der Bewegung beitragen könne, mit der Aufforderung gekontert: "Go home, kill father and mother, hang up yourself!"

Diese Episode erwähnt Pablo Schmelzer, Stipendiat am Hamburger Institut für Sozialforschung, in seiner theoretisch reflektierten, spannenden Studie über die bislang wenig beachtete "Wahrnehmung" der Black Panther Party und der afroamerikanischen GIs durch die solidarisierungswillige Studentenbewegung in der Bundesrepublik; für ihn ist es ein Indiz für den keineswegs spannungsfreien Verlauf der transnationalen Vernetzung.

Drei Jahre lang arbeiteten afroamerikanische GIs und Studentenbewegung intensiv zusammen

Und obwohl die Radikalisierung auf deutscher Seite nach dem tödlichen Schuss auf Benno Ohnesorg Fahrt aufnahm - auch in dieser Hinsicht lagen Welten zwischen der Black Panther Party und den rebellierenden Studenten und Studentinnen. Immerhin öffneten die "Panther" einen "Imaginationsraum für einen potenziell auch gemeinsam mit weißen Studierenden zu führenden internationalen Klassenkampf".

Gestützt vor allem auf Untergrundzeitungen - in der Bundesrepublik wurden diese Zeitungen "meist von afroamerikanischen GIs verfasst und von deutschen Studierenden gedruckt, vertrieben und auch rezipiert" -, interne Protokolle von Treffen der "Unterstützerszene", Quellen aus dem Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung sowie auf Unterlagen aus der Volltextdatenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" versucht Schmelzer, die nur knapp drei Jahre dauernde, "intensive Zusammenarbeit" zwischen afroamerikanischen GIs und Studentenbewegung zu rekonstruieren.

"Hang up yourself!" Black-Panther-Leader Stokely Carmichael, hier auf einem Foto von 1969, hatte recht rabiate Tipps für weiße Studenten. (Foto: dpa)

Und obwohl nur ein Teil der 30 000 in der Bundesrepublik stationierten afroamerikanischen Soldaten und nur eine Minderheit der westdeutschen Studierenden involviert waren, "produzierten ihre gemeinsamen Aktivitäten, die Teach-ins, Demonstrationen, Blockaden und die Etablierung eines Solidaritätsnetzwerks" zusammen mit zahlreichen Untergrundzeitungen eine "nicht unbedeutende Gegenöffentlichkeit".

Zunächst beleuchtet Schmelzer Grundlagen und politischen Output der "ungewöhnlichen Allianz" im Kontext der Internationalisierungsstrategie der Black Panther Party und fragt, "welche Narrative die Beteiligten zur Verortung ihrer eigenen politischen Arbeit bemühten". Im zweiten Teil des Buchs stehen "diskursive Transferprozesse" im Vordergrund. Anhand eines Vergleichs der Untergrundzeitschriften und der schriftlichen Hinterlassenschaften der Unterstützerszene sollen Rückschlüsse auf die "wechselseitigen Selbst- und Fremdrepräsentationen" und eventuelle gegenseitige Beeinflussungsversuche ermöglicht werden.

Die im afroamerikanischen GI-Milieu feststellbare "Verbalmilitanz" hatte allerdings überwiegend mobilisierenden Charakter. Tatsächlich konstatiert Schmelzer eine "enorme Diskrepanz zwischen ausufernder Gewaltrhetorik und der relativen Abwesenheit realisierter Gewalthandlungen durch afroamerikanische GIs".

Pablo Schmelzer: "Black and White, unite and fight". Die deutsche 68er-Bewegung und die Black Panther Party. Hamburger Edition, Hamburg 2021. 240 Seiten, 30 Euro. (Foto: N/A)

Im dritten und letzten Teil untersucht er zum einen die "performativen und habituellen Effekte" der diskursiven Wechselbeziehungen, insbesondere wie diese sich "in Aneignungsversuchen von als afroamerikanisch markierten Codes und in habituellen Manövern des 'Schwarz-werden-Wollens' niederschlugen"; zum anderen geht er der Frage nach, wie die deutschen Aktivisten und Aktivistinnen auf die "partielle Zurückweisung ihrer Solidarität" reagierten. Hier kann er zeigen, dass die Solidaritätsarbeit generell als "äußerst mühsam" wahrgenommen wurde.

"Morbide Faszination" durch Gewalt

In einem Leitfaden zum Verhalten etwa beim Verteilen von Flugblättern war beispielsweise zu lesen, dass "in politischen oder moralischen Begriffen formulierte Appelle" bei den Empfängern, denen "solche Kategorien bestenfalls nichts bedeuten", schlimmstenfalls als Zeichen privilegierter Lebensumstände, "zwangsläufig Abneigung hervorrufen" müssten. Auch eine "unvermittelte Identifizierung" mit der leidenden afroamerikanischen Bevölkerung sollte tunlichst vermieden werden. Ungeachtet des wiederholt formulierten Anspruchs, "gegenüber den GIs 'echte Demut' zu zeigen", erstaunt die "Überheblichkeit", die aus den Handlungsanweisungen und Protokollen der Treffen der Unterstützergruppen spricht.

Das Buch bietet reichlich Stoff zum Nachdenken über die düsteren Seiten der 68er-Bewegung, etwa über die "Dehumanisierung politischer Gegner" als "Pigs", das Tragen langer Haare als "Versuch, als 'White Negro' mit dem Objekt der Solidarität symbolisch zu verschmelzen", eine "morbide Faszination" durch Gewaltakte, die politische Instrumentalisierung der Kontakte von Studentinnen zu afroamerikanischen GIs oder die Relativierung des Rassismus als "Nebenwiderspruch des Kapitalismus".

Schmelzer gelingt es, mit seiner "Neukonzeptionierung" des studentischen Internationalismus die konkreten Akteure und Akteurinnen mit ihren jeweiligen Deutungen und politischen Agenden ernst zu nehmen und als "immanenten Teil der Studentenbewegung sichtbar zu machen". Ein unbedingt lesenswertes und die Debatte um '68 bereicherndes Buch.

Werner Bührer ist Zeithistoriker. Er lebt in München.

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