Es war ein Schicksalstag, für die Deutschen und für die ganze Welt. Ein Tag, der auf einer Lüge aufbaute, einer der "dreistesten Lügen" der deutschen Geschichte, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie am Freitag definierte. "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", hatte SED-Chef und Staatsratsvorsitzender Walter Ulbricht noch im Juni 1961 gesagt.
Wenige Wochen später, am 13. August, begann die DDR über Nacht mit dem Bau der Berliner Mauer. Der Eiserne Vorhang schloss sich auf unabsehbare Zeit, Tausende Familien mussten von nun an getrennt leben. Es begann eine Zeit der Leiden und der Schmerzen, eine Zeit, die Träume und Hoffnungen zerstörte.

60 Jahre Mauerbau:"Die andere Welt war für uns fern und unerreichbar"
Torsten Sowa wuchs in der DDR auf, mit etwa 20 Jahren war klar: Er wollte weg. Da sein Großvater im Westen lebte, war das denkbar - doch der Opa starb, bevor der Antrag auf Familienzusammenführung genehmigt wurde.
Seitdem sind genau 60 Jahre vergangen. Die Mauer gehört nicht mehr zum alles bestimmenden Stadtbild, für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muss ihre Erinnerung aber wachgehalten werden. "Freiheit und Demokratie sind nie naturgegeben, nie ein für alle Mal erreicht", sagte der Bundespräsident bei der offiziellen Feier vor der Kapelle der Versöhnung in Berlin, die pandemiebedingt im Freien stattfand.
Eine Herausforderung für heute und morgen
Die Kapelle der Versöhnung steht auf dem früheren Todesstreifen an der Bernauer Straße, an einem Ort also, der wie kaum andere die damalige Teilung Berlins und der Welt im Kalten Krieg - und die große Sehnsucht nach Freiheit - symbolisiert.
"Freiheit und Demokratie müssen erkämpft, dann aber auch geschützt, verteidigt und erhalten werden", so Steinmeier weiter. Dafür brauche man entschiedenes Engagement und Leidenschaft, und das fange schon mit der Beteiligung an demokratischen Wahlen an, die die Mauer und das, wofür sie stand, so lange so vielen verwehrte. "Denken Sie alle daran, wenn bald ein neuer Bundestag gewählt wird", appellierte der Bundespräsident.
Die Erinnerung an die Berliner Mauer ist "eine bleibende Herausforderung für uns - für heute und für morgen", betonte Steinmeier, der der Toten, der Verletzten, der Verhafteten und all derer, die ihr Leben um der Freiheit willen aufs Spiel setzten, gedachte.
Der Beginn einer Eiszeit mitten im Sommer
Er bedankte sich bei den Menschen, die die Mauer nach achtundzwanzig Jahren endlich zum Einsturz brachten. Zuallererst den Menschen, die am 9. November 1989 Günter Schabowski "korrekt missverstanden hatten und sich den Zugang zur anderen Hälfte ihrer Stadt friedlich erzwangen". Aber auch allen, die durch die Politik der Entspannung den friedlichen Übergang in eine neue Epoche ermöglicht haben, sollte man dankbar sein.
Heute ist Berlin eine offene, lebendige, internationale Stadt, wo viele junge Menschen hinziehen, um ihre Träume zu verwirklichen. Es ist eine Stadt, die an diesem speziellen Tag an etwas erinnert: Dass das Selbstverständliche nie von selbst geschehe. Und dass Geschichte von uns Menschen gemacht werde, zum Bösen wie zum Guten. "Wenn wir am 9. November den Fall der Mauer feiern, den Frühling mitten im kalten Herbst, dann müssen wir auch des 13. August gedenken, des Beginns einer Eiszeit mitten im Sommer", so Steinmeier.