Berlin:Biounterricht im Botanischen Garten

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Berlins Schulsenatorin Sandra Scheeres möchte bis zu den Ferien lieber die Lerndefizite der Schüler ermitteln lassen, als noch vom Wechselunterricht abzurücken. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Am 24. Juni starten in Berlin die Sommerferien. Sollen die Kinder vorher noch in voller Präsenz lernen dürfen? Darüber streitet die Stadt. Schulsenatorin Sandra Scheeres ist dagegen - und präsentiert zum Trost ein paar Ideen.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Dreieinhalb Wochen noch, dann beginnen in Berlin die Schulferien. Dreieinhalb Wochen, um die in Berlin heftig gestritten wird. "Was hat die Schulsenatorin bloß gegen Schule?", fragte die Boulevardzeitung BZ diesen Freitag auf ihrer Titelseite. Denn Sandra Scheeres (SPD) beharrt trotz sinkender Inzidenzen darauf, das Schuljahr im Wechselunterricht statt in voller Präsenz zu beenden. Alles andere würde "Unruhe" auslösen, meinte auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD).

Doch der Widerstand gegen diese Entscheidung wächst. Das mag daran liegen, dass im Herbst in der Hauptstadt gewählt wird. Jedenfalls stellte sich nicht nur der Berliner CDU-Chef Kai Wegner gegen die Senatorin, als er erklärte: "Es gibt eine tiefe Sehnsucht nach Normalität im Schulbetrieb."

Die Grünen, immerhin Koalitionspartner der SPD im Senat, wollen ebenfalls einen normalen Schulbetrieb noch vor den Ferien. Zumindest Grundschüler sollten in Präsenz unterrichtet werden, forderte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Zudem meldete sich die SPD-Bürgermeisterkandidatin und Bundesfamilienministerin a. D. Franziska Giffey zu Wort. Die Parteikollegin Scheeres möge "die Entscheidung überdenken", bat sie. Die Argumente sind stets dieselben: Die Schule als sozialer Ort sei wichtig für die Kinder; überdies sei es schwer zu erklären, dass Läden und Kneipen wieder öffnen dürften, Schulen aber nur halb.

Schule in der Pandemie
:Umstrittene Ideen zur Ferienkürzung

Schülern wie auch Lehrern werde in der Pandemie ohnehin schon viel zugemutet. Einen Vorschlag, Sommerferien zu kürzen, um Lernlücken zu schließen, halten einige für den falschen Weg.

Zusätzlicher Druck auf die Schulsenatorin kommt aus Brandenburg. Im Nachbarland beginnen die Ferien ebenfalls am 24. Juni, aber die Landesregierung hat Präsenzunterricht beschlossen. Von kommenden Montag an sollen die Grundschüler wieder in voller Klassenstärke kommen können, am Montag darauf dürfen die weiterführenden Schulen nachziehen. Vorausgesetzt, die Sieben-Tage-Inzidenz verharrt unter 50 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner.

Nicht alle Lehrer seien geimpft, warnt Scheeres

Berlins Schulsenatorin hält dagegen. Ihre Entscheidung habe sie auf Basis der Debatten mit dem Landesschulbeirat getroffen, in dem Schulleiter, Eltern und Schüler zusammenkommen. Ein Argument sei, dass die Umstellung auf Präsenzunterricht kaum von heute auf morgen gelingen könnte, sagte Scheeres. Sie halte es für wichtiger, den vollen Unterricht nach den Ferien vorzubereiten und dafür bis zum Sommer die Lerndefizite der Schüler zu ermitteln. Zudem seien zwar fast 80 Prozent der Grundschullehrer bereits geimpft, bei den Lehrkräften höherer Klassen sei dies aber längst nicht der Fall. Der volle Präsenzunterricht stelle daher eine Infektionsgefahr dar.

Die Linke und die Erziehungsgewerkschaft GEW unterstützen Scheeres' Linie. "Wir haben die Vor- und Nachteile miteinander abgewogen", sagt Markus Hanisch, Geschäftsführer der GEW Berlin. Zwei bis drei Wochen Präsenzunterricht seien vielleicht gerade noch so möglich, dafür müssten aber die Corona-Tests ausgeweitet werden. Das Wechselmodell hingegen sei gut eingespielt.

Ein bisschen lenkte Scheeres zuletzt aber noch ein. Alternativ zur vollen Präsenz in der Schule könnten sich die Klassen in den letzten zwei Wochen draußen treffen: gemeinsam ins Freibad gehen, zusammen Sport treiben oder den Biounterricht in den Botanischen Garten verlegen. Dann ist nämlich auch Notenschluss.

Die Bürgervereinigung "Initiative Familie" stellt das nicht zufrieden. Sie will mehr Präsenzunterricht erzwingen und deshalb beim Berliner Verfassungsgerichtshof gleich mehrere Beschwerden einreichen.

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