Bundestagswahlkampf:Kandidatur gegen die Hinterzimmerpolitik

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Es war Michael Müller selbst, der Sawsan Chebli nach der Wahl 2016 zu sich ins Rote Rathaus geholt hatte. (Foto: imago/Stefan Zeitz)

Mit ihrer Ankündigung, sich in Charlottenburg-Wilmersdorf für ein Bundestagsmandat zu bewerben, macht Staatssekretärin Chebli Berlins Regierendem Bürgermeister Müller Konkurrenz.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Wäre Michael Müller einfach nur Michael Müller, 55, SPD-Mitglied aus Berlin auf dem Weg in den Bundestag - wäre das, was derzeit mit ihm geschieht, nicht der Erwähnung wert: Am vergangenen Montag hat dieser Müller verkündet, dass er für den Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf von der Landes- in die Bundespolitik wechseln will. Er wolle Themen aus der Hauptstadt "stärker auf die Bundesebene" tragen: "Dafür bitte ich Euch um Euer Vertrauen und Eure Unterstützung."

So weit, so gut. Bislang hatte Müller einen Gegenkandidaten, seit gestern Abend sind es nun zwei. Dieser Wettstreit, er gehört dazu in der innerparteilichen Demokratie. Doch Michael Müller ist seit 2014 Regierender Bürgermeister von Berlin und am Donnerstagabend erklärte ausgerechnet seine Staatssekretärin in demselben Westberliner Wahlkreis ihre Kandidatur um ein Mandat für den Bundestag. Es war Müller selbst, der Sawsan Chebli nach der Wahl 2016 zu sich ins Rote Rathaus geholt hatte.

Bundestagswahlkampf
:Chebli tritt gegen Müller an

Die Berliner SPD-Staatssekretärin will im Berliner Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf kandidieren - dort bewirbt sich auch ihr Noch-Chef, der Regierende Bürgermeister Müller.

"Ab heute stehe ich, Sawsan Chebli, der SPD und meinem Kreisverband als Kandidatin für die nächste Wahl zum Deutschen Bundestag zur Verfügung", erklärte die 42-Jährige am Donnerstagabend. Es war, wenn man so will, die nächste Demütigung für Michael Müller, der eben nicht nur Michael Müller ist, sondern auch Regierender Bürgermeister. Monatelang hatte er zu seiner politischen Zukunft nach der nächsten Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 geschwiegen. Anders als sein Vorgänger Klaus Wowereit ist Müller weder in der Partei noch bei den Berlinern sonderlich populär. Von den fast 22 Prozent für die SPD nach der Wahl 2016 sind gerade einmal 15 Prozent übriggeblieben. Im Frühsommer aber erlebte er durch sein pragmatisches Management der Corona-Pandemie ein kurzes Umfragehoch. In Interviews ließ er daraufhin fast lustvoll die Frage offen, ob er noch mal als Bürgermeisterkandidat antreten wolle. Das macht seinen Abgang nun umso schwieriger.

Denn als Müller sich schließlich entschieden hatte, für den Bundestag zu kandidieren, war der direkte Weg längst versperrt: Kevin Kühnert, der wie Müller aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg stammt, hatte längst verkündet, sich dort um ein Mandat zu bewerben. Anders als Müller kann sich der ehrgeizige und beliebte Juso-Chef der Unterstützung des Kreisverbands sicher sein. In der Berliner SPD wird um die Bundestagsmandate deshalb so gerungen, weil die Partei bei den derzeitigen Umfrageergebnissen gerade einmal mit vier Sitzen rechnet. Zwei Wahlkreise könnte die Partei direkt holen, zwei über die Landesliste.

Der Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf ist der letzte sichere Ausweg für den Regierenden Bürgermeister, der dortige Kreisverband wird von seinem Senatskanzleichef geleitet, der vieles dafür tun wird, dass Müller das Mandat bekommt. Im Streit zweier Männer, Kühnert und Müller, wird also voraussichtlich eine Frau das Nachsehen haben. Sawsan Chebli gibt sich dennoch optimistisch: "Ich freue mich auf einen offenen und fairen Wettbewerb um die Nominierung." Sie will sich der Hinterzimmerpolitik in der Berliner SPD nicht beugen.

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