Klimaproteste:Rund 700 Berliner Polizisten im Einsatz gegen Straßenblockaden

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Polizisten entfernen einen Klimaaktivisten von einer Straße im Berliner Bezirk Schöneberg. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Am zweiten Tag in Folge behindern Demonstranten den Verkehr an verschiedenen Orten in der Hauptstadt - unter anderem auf der Stadtautobahn A100.

Die Klimagruppe "Letzte Generation" hat am Dienstag erneut mit mehreren Blockaden den Verkehr in Berlin behindert. Nach Angaben der Polizei gab es im Feierabendverkehr 22 Aktionen, bei denen Klimaaktivisten auf der Straße standen, dort festgeklebt waren oder Transparente hielten. Dazu gehörten unter anderem Blockaden im Stadtteil Charlottenburg auf dem Ernst-Reuter-Platz und dem Hohenzollerndamm/Ecke Konstanzer Straße, in Prenzlauer Berg auf der Prenzlauer Allee/Ecke Fröbelstraße sowie in Treptow und Friedrichshain. Auch die Stadtautobahn A100 war wieder betroffen.

Mehrere Personen hätten die Fahrbahn Richtung Süden blockiert, teilte die Polizei bei Twitter mit. Zwei der drei Fahrstreifen seien jedoch wieder freigegeben. Ein blockierendes Fahrzeug müsse noch beseitigt werden. Die Polizei bat die Autofahrer bei Twitter: "Bitte bewahren Sie Ruhe und schreiten Sie nicht selbst ein." Von der Klimagruppe hieß es, die Blockaden beträfen den Verkehr stadtauswärts. Erneut beteiligten sich Hunderte Menschen an den Aktionen.

Die Polizei war nach eigenen Angaben am Dienstag mit rund 700 Polizisten im ganzen Stadtgebiet im Einsatz, um die Blockaden von Klimaschutz-Demonstranten zu verhindern. Am Montag waren insgesamt 660 Polizistinnen und Polizisten wegen der Klimaproteste im Einsatz, darunter auch Bundespolizisten. Zunächst hatte die Behörde von rund 500 Einsatzkräften gesprochen. Nach ihren Angaben gab es am Montag insgesamt 42 Straßenblockaden im Stadtgebiet, an denen sich 255 Demonstranten beteiligten.

Bei Twitter veröffentlichte die "Letzte Generation" Videoaufnahmen von Aktionen. "Wir fordern die schweigende Mehrheit auf, Verantwortung zu übernehmen und die Regierung zur Aufgabe ihrer Blockadepolitik in der Klimakatastrophe zu bewegen", twitterte die Gruppe.

"Es war leider zu erwarten, dass sich diese Guerilla-Aktionen nicht auf den Montag beschränken werden und Mitglieder dieser kriminellen Organisation weiterhin Rechtsbrüche begehen und sie die Straftaten mit dem notwendigen Klimaschutz zu legitimieren versuchen", hieß es von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Sie rechnet auch in den nächsten Tagen mit weiteren Straßenblockaden.

Polizei und Justiz uneins über Gründe für Milde mit Aktivisten

Indes hat mangelhafte Abstimmung zwischen Polizei und Justiz offensichtlich zu kaum spürbaren Konsequenzen für Klimaaktivisten nach Straßenblockaden in Berlin geführt. Nach Angaben von Gerichtssprecherin Lisa Jani wurde am Montag "nur in einem einzigen Fall ein Antrag auf Ingewahrsamnahme" gestellt. Die Polizei hatte zunächst von 49, dann von 71 Fällen gesprochen, in denen sie im Zusammenhang mit den 42 Straßenblockaden der "Letzten Generation" am Montag einen sogenannten Sicherheitsgewahrsam beantragt habe. Letztlich seien aber alle Demonstranten im Laufe des Montagabends wieder freigekommen.

Die Polizei nannte "zeitliche Vorgaben" als Grund dafür, dass eine Vorführung beim Bereitschaftsrichter nicht mehr möglich gewesen sei. Von der Justiz hieß es jedoch: "Wir waren bereit." Gerichtssprecherin Jani ergänzte: "Wir konnten aber nur die Anträge abarbeiten, die wir bekommen haben." Ein Polizeisprecher erklärte, Polizei und Justiz stünden im engen Austausch, um die Abläufe zu verbessern.

Um zu verhindern, dass die Aktivisten sich sofort wieder an Blockaden beteiligen, ist ein sogenannter Präventivgewahrsam möglich. Diese Maßnahme muss von einem Richter angeordnet werden. Der Gewahrsam darf in Berlin maximal bis zum Ende des nächsten Tages nach der Festnahme dauern, in der Theorie damit höchstens 48 Stunden.

Bundesumweltministerin kritisiert Blockadeaktionen

Die Sprecherin der "Letzten Generation", Carla Hinrichs, meinte am Dienstag: "Die Kapazitäten von Polizei und Justiz kommen bereits jetzt an ihre Grenzen. Der friedliche Widerstand gegen den tödlichen Kurs unserer Regierung lässt sich nicht durch Polizei oder Justiz beenden." Die Berliner Polizei sei daran gescheitert, vorgesehene Ingewahrsamnahmen durchzuführen. Polizeilichen Maßnahmen am Rande der Aktionen hätten lange angedauert, ohne dass Protestierende in Gewahrsam gekommen seien.

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Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kritisierte die Blockadeaktionen als wenig hilfreich für den Klimaschutz. "Ich habe einerseits Verständnis dafür, wenn Menschen für Klimaschutz auf die Straße gehen und auch Regierungen dafür kritisieren, dass zu wenig passiert", sagte Lemke am Dienstag am Rande eines Termins in Küstrin an der polnischen Grenze. Aber sie befürchte, dass diese Aktionen dem Klimaschutz nicht auf Dauer helfen könnten. "Ich befürchte, dass der Frust und die Wut in der Bevölkerung parallel zu Wut und Frust über zu wenig Klimaschutz ansteigen."

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