"Deutsche Wohnen & Co enteignen":Vergesellschaftungen sind zulässig

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Für die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" ist der Abschlussbericht der Expertenkommission ein Erfolg. (Foto: Christophe Gateau/DPA)

Zu diesem Schluss kommen Experten, die der Berliner Senat beauftragt hat. Ihr Bericht bestätigt die Ziele des Volksbegehrens - und setzt den neuen Regierenden Bürgermeister Wegner unter Druck.

Von Simon Sales Prado, Berlin

Auf dem Platz vor dem Roten Rathaus fliegt Konfetti über den Boden, in der Luft wehen Fahnen in Gelb und Lila. Man kennt diese Farben hier in Berlin. Es sei ein Tag der Hoffnung für Menschen in der Hauptstadt, sagt Carolin Blauth von der "Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen" in das Mikrofon. Man werde nicht aufhören, bis die Stadt denen gehöre, die in ihr leben. Klatschen, mehr Konfetti.

Auf der anderen Straßenseite, im Rathaus, wird wenige Minuten später der Grund zur Freude übergeben: der Abschlussbericht der Expertenkommission zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen in Berlin. Wobei der Bericht hier, bei der schwarz-roten Landesregierung, wohl keine großen Glücksgefühle auslösen dürfte.

"Es war nicht unsere Aufgabe, eine politische Bewertung vorzunehmen."

Die zentrale Botschaft auf den rund 150 Seiten, die Kommissionsvorsitzende Herta Däubler-Gmelin nun dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner von der CDU in die Hand drückt, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen ist rechtlich möglich. Das Grundgesetz lasse ein entsprechendes Gesetz zu, das Land Berlin habe auch die Kompetenz, es zu beschließen. Oder wie die Initiative es formuliert: Die Enteignung von Immobilienkonzernen ist verhältnismäßig, rechtssicher und finanzierbar.

Wohnen ist ein sensibles Thema, in der Hauptstadt hat man in den letzten Jahren besonders viel darüber diskutiert. Über den Volksentscheid, über die Kommission, über die Frage, was passiert, wenn eine Landesregierung im Amt ist, die das Anliegen ablehnt. Herta Däubler-Gmelin, ehemalige Bundesjustizministerin von der SPD, stellte deswegen gleich zu Beginn klar, dass man sich auf rechtliche Fragen konzentriert habe. "Es war nicht unsere Aufgabe, eine politische Bewertung des Beschlusses oder der Initiative vorzunehmen."

Berlins Bürgermeister Kai Wegner bedankte sich bei Herta Däubler-Gmelin für die Arbeit der Expertenkommission - gefreut hat er sich wohl nicht. (Foto: Wolfgang Kumm/DPA)

Aber natürlich bleibt der Bericht, den die Kommission nun vorgelegt hat, schon allein wegen seiner Vorgeschichte politisch. Kern des Volksentscheids ist die Forderung nach der Enteignung von Unternehmen, die mehr als 3000 Wohnungen in der Stadt besitzen. Der so in Gemeineigentum überführte Wohnraum soll unter Beteiligung von Mieterinnen und Mietern verwaltet werden, die betroffenen Immobiliengesellschaften sollen entschädigt werden - deutlich unter Marktwert, wenn es nach der Initiative geht.

Vergesellschaftungen seien der falsche Weg, sagt Wegner

Bei der Abstimmung im September 2021 hatten eine Million Berlinerinnen und Berliner für das Ansinnen gestimmt. Daraufhin hatte der damals amtierende rot-grün-rote Senat die Expertenkommission eingesetzt. Seitdem ist viel passiert, es gab Neuwahlen, einen Senatswechsel, die Inflation hat sich verschärft. Und auch wenn die Kommission sich nicht in allen Detailfragen einig geworden ist, hat sie mit dem Gutachten die Ziele der Initiative in weiten Teilen bestätigt. Und jetzt?

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"Wir wollen bezahlbare Mieten für alle Berlinerinnen und Berliner", sagte am Mittwoch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner und bedankte sich bei der Kommission für ihre Arbeit. Er wolle Rechtssicherheit für Mieterinnen und Mieter, aber auch für Bauunternehmen und die Wohnungswirtschaft. Vergesellschaftungen seien in seinen Augen der falsche Weg, so Wegner. "Wir werden jetzt in die Prüfung für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz gehen." Auf diesen Weg hatten CDU und SPD sich bereits im Koalitionsvertrag geeinigt. Mit dem Gesetz sollen ein Rechtsrahmen sowie objektive Kriterien für eine Vergesellschaftung festgelegt werden. Konkreter wird der Koalitionsvertrag an dieser Stelle kaum, dann aber kommt ein entscheidender Satz: "Das Gesetz tritt zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft."

Anders gesagt: Bis allein ein juristischer Rahmen für Enteignungen da ist, kann es noch Jahre dauern, möglicherweise länger als die aktuelle Legislaturperiode. Bei der "Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen" sieht man darin einen Versuch, die Umsetzung zu verzögern. Ein Rahmengesetz, wie der Senat es plane, sei vollkommen überflüssig.

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