Bauen in der Hauptstadt:Berliner Höhenrausch

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"Unerträglich" findet der Berliner Fahrgastverband die Situation für U-Bahn-Fahrer am Alexanderplatz. Schuld ist ein Bauvorhaben, bei dem was schiefgegangen ist. (Foto: S. Ziese/Imago)

Seit den Neunzigerjahren gibt es für den Alexanderplatz einen Masterplan. Jetzt werden die ersten Hochhäuser gebaut - und dabei rutscht ein U-Bahn-Tunnel ab. Über eine neue Berliner Baustelle.

Von Verena Mayer, Berlin

Der Masterplan, der Anfang der Neunzigerjahre vom renommierten Architekten Hans Kollhoff für den Berliner Alexanderplatz entworfen wurde, sieht aus, wie man sich eine Metropole vorstellt. Mehrere Hochhaustürme sind rund um den sozialistischen Bestand zu einer Art Manhattan mit Berliner Flair gruppiert. Die hochfliegenden Pläne wurden im Lauf der Jahre immer weiter zurückgestutzt, jetzt werden Teile des Masterplans aber verwirklicht. So wie ein 130 Meter hohes Gebäude, das nach Angaben des französischen Immobilienunternehmens Covivio bis 2026 ein "Mixed-Use-Turm" aus "innovativen Arbeitsräumen, Einzelhandelsflächen und Wohnraum" werden soll. Und man findet hier tatsächlich viel Berlin-Gefühl, wenn auch ein anderes als gedacht.

Die Baustelle hat nämlich einen U-Bahn-Tunnel beschädigt. Die Stützwände, die die Baugrube absichern sollten, haben dem Druck des Grundwassers nicht standgehalten und wurden so stark weggedrückt, dass der danebenliegende U-Bahn-Schacht um mehrere Zentimeter abrutschte. Die Folge: Der Schacht ist nicht mehr benutzbar, seit Oktober ist die U-Bahn-Linie 2, eine wichtige Ost-West-Verbindung, unterbrochen. Sie fährt, wenn überhaupt, nur alle 15 Minuten im Pendelverkehr, man muss also auf der Strecke mehrmals Züge wechseln. "Eine unerträgliche Situation", sagt der Berliner Fahrgastverband.

Wer daran schuld ist, wird das gerichtliche Beweisverfahren zeigen, das die BVG angestoßen hat. Wurde die Baugenehmigung vorschnell erteilt? Oder hat der Investor nicht gut genug geplant? Fest steht, dass hier ein Berliner Bauprojekt wieder mal eine sehr berlinerische Richtung zu nehmen scheint.

Durch die Wand und unter den Tunnel werden jetzt Emulsionen gespritzt

Dazu gehören die aufwendigen Maßnahmen, um den Schaden zu beheben. Vertreter von BVG, Covivio, Bezirk und Berliner Senat haben sich dem Sender RBB zufolge auf folgende Vorgehensweise geeinigt: So sollen erst Stahlanker die Baugrube stabilisieren. Danach werden sogenannte Injektionslanzen gesetzt, die von der Grube aus eine spezielle Emulsion durch die Wand unter dem U-Bahnhof einspritzen, um den Untergrund zu verhärten. Danach soll eine weitere Zementemulsion direkt unter den Tunnel gespritzt werden, um den abgesunkenen Tunnel um vier Zentimeter anzuheben. Der RBB spricht von einer "ingenieurstechnischen Herausforderung".

Spätestens jetzt dürfte allen in Berlin klar sein, dass das teuer wird und vor allem dauern kann. Auf die Frage, wann die U-Bahn wieder normal fährt, heißt es aus der BVG nur, man wolle "baldmöglichst die gewohnte Leistung auf der U2 anbieten" und werde darüber "rechtzeitig informieren". Informationen der SZ zufolge wird das aber bis mindestens nach den Sommerferien dauern.

Ähnlich zugeknöpft ist der Investor. Zum Stand der Bauarbeiten heißt es bei Covivio, die Reparaturarbeiten verliefen "planmäßig". Der Untergrund sei "mittels Kontaktinjektionen verfestigt und somit ertüchtigt. Der Hebungskörper ist hergestellt". Auf die Frage, wie lange die Bauarbeiten am "Mixed-Use-Turm" noch dauern werden, heißt es nur: "Die Zeitplanung wird aktuell überarbeitet." Auch das kennt man gut von anderen Berliner Bauprojekten.

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