Bayern-Wahl:In der CDU wächst die Wut auf die Schwesterpartei

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Nach der Landtagswahl in Bayern: Das schlechte Ergebnis der CSU könnte auch für CDU-Chefin Merkel Folgen haben. (Foto: dpa)
  • Die Union steht in bundesweiten Umfragen bei 26 Prozent. Wenn man den CSU-Anteil herausrechnet, bleiben für die CDU nur gut 20 Prozent. So schlimm stand es um die Christdemokraten noch nie.
  • Ein CDU-Ministerpräsident legt der CSU sogar den Austausch ihres Führungspersonals nahe.
  • Entscheidend wird die Hessen-Wahl in zwei Wochen - womöglich auch für Parteichefin Merkel.

Von Robert Roßmann, Berlin

Manchmal ist es ja hilfreich, sich in schwierigen Situationen an die üblichen Gepflogenheiten zu halten. Routine kann Schutz und Stütze sein. Doch an diesem Montag zeigt sich, dass Routine auch ein Problem sein kann. Am Sonntag haben CSU und SPD in Bayern gewaltige Wahlniederlagen erlitten, in der Union ist neuer Streit ausgebrochen - und selbst CDU-Granden spekulieren bereits offen über einen Ausstieg der SPD aus der Bundesregierung. Und was macht die CDU-Chefin? Sie taucht einfach ab. Kein klärendes Wort, keine Einschätzung, keine Ankündigung - weder am Wahlabend noch nach den Gremiensitzungen am Montag.

Es ist zwar Usus, dass sich die CDU-Chefin nach bayerischen Landtagswahlen zurückhält. Aber diese Landtagswahl war keine normale Abstimmung. Es geht jetzt nicht mehr um Bayern, sondern um die Erhaltung der großen Koalition - und um die Zukunft der CDU als Volkspartei. Die Union steht in bundesweiten Umfragen bei 26 Prozent, wenn man den CSU-Anteil herausrechnet, kommt man nur noch auf gut 20 Prozent für die CDU. So schlimm stand es um die Christdemokraten noch nie. Aber Angela Merkel verlässt die CDU-Zentrale am Montag wortlos und überlässt die Pressekonferenz ihrer Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Parteivorsitzende will sich den Fragen der Journalisten nicht stellen. Später erklärt sie zwar bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes "Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen", sie wolle verloren gegangenes Vertrauen in die Regierungsarbeit zurückgewinnen. Aber: Ist das die richtige Bühne? Und reicht das?

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Die Sorgen in der CDU sind jedenfalls gewaltig. Thomas Strobl, Merkels Stellvertreter im Parteivorsitz, sagt am Montag, das bayerische Ergebnis sei "nicht nur eine Münchner Platzpatrone", sondern "ein Kanonenschlag". Er sei deshalb nicht glücklich darüber, was nach der Wahl geschehen sei. "Die Menschen sind doch sehr alleine vor den Fernsehgeräten gesessen", klagt Strobl. "Die Botschaft, die sie vernommen haben, war die: Wir haben nicht verstanden, es geht alles weiter wie bisher" - das dürfe aber nicht die Conclusio aus dem bayerischen Wahlergebnis sein.

In der CDU sind sie wegen der schlechten Lage dünnhäutig geworden

In der CDU herrscht gewaltiger Unmut - vor allem über die CSU. Daniel Günther, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident, ist erst am Samstag erneut Vater geworden. Bei den Gremiensitzungen am Montag in Berlin fehlt er deshalb. Aber die Geburt seiner zweiten Tochter hält ihn nicht davon ab, die CSU frontal anzugreifen. Er legt der Schwesterpartei sogar personelle Konsequenzen nahe. "Ohne die wird es vermutlich kaum funktionieren", sagt Günther der Welt. Schließlich habe die CSU-Führung "in den vergangenen Jahren in Gänze Fehler gemacht: Horst Seehofer, Markus Söder, Alexander Dobrindt - da darf man niemanden ausnehmen". Am bayerischen Wahltag hatte bereits Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier die CSU und ihren Vorsitzenden Horst Seehofer hart angegriffen.

CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer wirbt am Montag zwar um Verständnis für Bouffier. In dessen Äußerungen stecke vermutlich auch viel Frust über Probleme, die er im hessischen Wahlkampf wegen der CSU habe, sagt sie. Aber ungewöhnlich sind die Attacken der Christdemokraten auf die CSU schon. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet gibt sich am Montag keine Mühe, seinen Groll gegen die Bayern zu verstecken.

In der lange relativ gelassenen CDU sind sie wegen der schlechten Lage dünnhäutig geworden. In zwei Wochen wählen die Hessen. Wenn Bouffier dann ähnlich stark abgestraft wird wie Markus Söder in Bayern, wird in der CDU eine Debatte losbrechen, ob Merkel noch die richtige Parteichefin ist. Anfang Dezember muss sie sich der Wiederwahl stellen. Und die Abwahl Volker Kauders von der Fraktionsspitze hat gezeigt, wie groß der Wunsch nach personeller Veränderung auch in der CDU ist.

Strobls Schwiegervater, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, hatte bereits vor der Bayern-Wahl mögliche "Erschütterungen" in der CDU vorhergesagt und darauf hingewiesen, dass Merkel nicht mehr so unumstritten sei wie früher. Beides sind zwar Binsenwahrheiten. Und in den Gremiensitzungen am Montag wiederholt Schäuble sein Orakel nicht, er ruft die Partei stattdessen zur Geschlossenheit auf. Trotzdem wurden seine Äußerungen auch als Mahnung an Merkel aufgefasst, die Lage nicht zu unterschätzen.

Wie brenzlig die Situation für die CDU-Chefin inzwischen ist, kann man auch an den vielen Solidaritätsadressen für Merkel ablesen. Normalerweise ist derlei nicht nötig. Am Montag erklären CDU-Granden aber gleich reihenweise, dass sie mit der Wiederwahl Merkels rechnen würden. Er erwarte, dass die Vorsitzende beim Parteitag Anfang Dezember antrete und "auch klar gewählt wird", sagt EU-Kommissar Günther Oettinger. Laschet äußert sich ähnlich. Und der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, antwortet auf eine entsprechende Frage: "Ja natürlich, wer soll denn sonst antreten?"

Merkel hat bisher immer erklärt, für sie gehöre Kanzlerschaft und Parteivorsitz zusammen. Deshalb käme es für sie nicht infrage, den Parteivorsitz abzugeben. Trotzdem gibt es Spekulationen, Merkel könnte nach einem desaströsen Wahlergebnis der CDU in Hessen gezwungen sein, auf eine Wiederwahl an die Parteispitze zu verzichten. Kramp-Karrenbauer antwortet am Montag auf eine Frage dazu nur mit einem Verweis auf ihr eigenes Verhalten. Sie werde den CDU-Vorsitz im Saarland niederlegen, weil sie glaube, dass Parteivorsitz und Ministerpräsidentenamt in eine Hand gehörten. Das wurde als Unterstützung für Merkels Festhalten an beiden Ämtern verstanden.

Volker Bouffier betont, seine Regierung habe ohne ständigen Streit gearbeitet

Anfang November kommt die CDU-Spitze zu einer Klausur zusammen. Der Termin ist eigentlich Routine. In der Klausur soll der Bundesparteitag vorbereitet werden. Nach Lage der Dinge könnte sich dort aber auch klären, ob Merkel wirklich noch einmal antritt.

Jetzt will sich die CDU - was bleibt ihr anderes übrig - erst einmal auf den hessischen Wahlkampf konzentrieren. Am Montag präsentierten Kramp-Karrenbauer und Bouffier in der CDU-Zentrale ein neues Wahlplakat, das die Marschrichtung aufzeigt. "Jetzt geht's um Hessen: Bouffier" steht auf dem eher unscheinbaren Plakat. Indirekt soll das auch heißen: Liebe Hessen, lasst euch bitte nicht von der Arbeit der Bundesregierung abschrecken, sondern schaut nur auf die Landespolitik.

Es gehe jetzt "nicht um Berlin" und "Hessen ist anders", sagt Bouffier. Er wolle "mit voller Konzentration auf Sachthemen und einem geschlossenen Auftreten ohne Personaldebatten" für eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition werben. Seine Regierung arbeite "ohne ständigen Streit, ohne Zoff", sagt der Ministerpräsident - was man durchaus als weiteren Seitenhieb auf die CSU verstehen sollte, die in der Bundesregierung aus Sicht Bouffiers ständig für Ärger sorgt.

In Hessen hätten CDU und Grüne gezeigt, dass man erfolgreich regieren und dabei sein Profil behalten könne, sagt Bouffier. Dauerstreit stoße die Bürger ab, er sei überzeugt: "Konstruktive Arbeit wird belohnt." Diesen Optimismus braucht der Ministerpräsident aber auch. In der jüngsten Umfrage liegt seine CDU nur noch bei 29 Prozent - und damit fast zehn Prozentpunkte unter dem Ergebnis der letzten Landtagswahl. Allerdings könnte sich Bouffier - anders als Söder - über ein gutes Ergebnis der Grünen freuen. Sie stehen bereits jetzt bei 18 Prozent. Und wenn ihnen das bayerische Ergebnis einen Schub verleiht, könnten sie sogar so stark werden, dass es trotz einer schwächelnden CDU für eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition reicht.

Am Montag nach der hessischen Landtagswahl will Merkel übrigens zusammen mit Bouffier in der CDU-Zentrale auftreten. Dann wird sie den Fragen nicht mehr ausweichen können. Aber vielleicht muss Merkel das dann auch nicht mehr, weil die Grünen Bouffier - und damit auch ihr - die Zukunft gesichert haben.

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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