Balkan-Konflikt:"Wirklich harte Verhandlungen"

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Heikle Gespräche per Video: Kanzlerin Merkel konferiert mit dem serbischen Präsidenten Vučić und dem kosovarischen Premier Hoti. (Foto: Steffen Kugler/dpa)

Frankreichs Präsident Macron und Kanzlerin Merkel wollen die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo normalisieren. Doch das ist ein schwieriges Unterfangen.

Von Paul-Anton Krüger, München

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in ihrem eng getakteten Terminkalender Zeit für eine gemeinsame Videokonferenz freiräumen, dann zeigt das zumindest, welchen Stellenwert die beiden wichtigsten Regierungen in der EU einem Thema beimessen.

Das war auch das Signal, das von ihrer Schalte am Freitag mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dem kosovarischen Premier Avdullah Hoti ausgehen sollte, an dem auch der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell und Miroslav Lajčák teilnahmen, EU-Sonderbeauftragter für den Westbalkan.

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Als erstes zählbares Ergebnis vereinbarten Vučić und Hoti, den seit November 2018 unterbrochenen Dialog zwischen Belgrad und Pristina wieder aufzunehmen, wie Merkel und Macron in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten.

Der Dialog werde weiterhin von der EU unterstützt, hieß es. Bereits an diesem Sonntag sollen Vučić und Hoti in einer Videokonferenz beraten, sich dann am Donnerstag persönlich in Brüssel treffen. Als Ziel gaben die Europäer aus, die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo "durch ein umfassendes, endgültiges und rechtsverbindliches Abkommen zu normalisieren". Das allerdings dürfte ein schwieriges Unterfangen werden, wie sich aus den Äußerungen Vučićs und Hotis entnehmen lässt. Sie bekräftigten die unvereinbare Positionen, die schon lange einer Lösung des Konflikts im Wege stehen.

Die territoriale Integrität des Staates Kosovos und seine Verfassungsordnung müssten die "Leitprinzipien" jeder Regelung sein, erklärte Hoti. Dies schließe den Austausch von Gebieten aus oder einen autonomen Status für serbisch bevölkerte Landesteile, wie sie in früheren Verhandlungen zwischen Vučić und dem kosovarischen Präsidenten Hashim Thaçi ins Spiel gebracht worden waren. "Serbien lässt keine wirkliche Absicht erkennen, die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern zu normalisieren."

Serbien will die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennen

Vučić sagte, es seien "wirklich harte Verhandlungen" gewesen. Er habe Merkel und Macron mitgeteilt, dass die Gespräche "komplett sinnlos" seien, wenn sie sich darum drehen sollten, dass Serbien die Unabhängigkeit Kosovos anerkenne. Wir werden "keine einfache Zeit miteinander haben", sagte er. Serbien sehe sich "großen, großen, lassen Sie mich sagen Erwartungen, und nicht Druck, unserer europäischen Partner" ausgesetzt. Zugleich sei man mit einem "völlig unrealistischen Ansatz" der Kosovo-Albaner konfrontiert, und Serbien solle leer ausgehen.

Merkel und Macron betonten, die Normalisierung der Beziehungen sei "von großer Bedeutung für die EU-Beitrittsperspektive beider Länder" - das ist ihr Druckmittel. Das ist wirtschaftlich weit bedeutender, als alles, was die USA bieten können.

Richard Grenell, früher US-Botschafter in Berlin und noch immer Präsident Donald Trumps Sondergesandter für Serbien und Kosovo, hatte zum Missfallen der Europäer eigene Vermittlungen gestartet. Er steht einem Gebietstausch offen gegenüber, den Berlin und Paris ablehnen. Ein geplantes Treffen Vučićs und Thaçis im Weißen Haus war jüngst wegen der Anklage gegen Thaçi wegen Kriegsverbrechen geplatzt. Kosovo hatte 2008 seine Unabhängigkeit erklärt, Belgrad erkennt diese Unabhängigkeit aber ebenso wenig an wie Russland und einige EU-Staaten.

© SZ vom 11.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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