Konflikt mit Russland:Vor Baerbock-Besuch: Ukraine fordert deutsche Waffenlieferungen

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Bei einem Besuch im Mai hatte Grünen-Co-Chef Robert Habeck noch von einer möglichen Lieferung von "Defensivwaffen" gesprochen. (Foto: Andriy Dubchak/dpa; Bearbeitung SZ)

Vor der Reise der Außenministerin warnt Kiew, dass im Falle eines russischen Einmarsches auch Gaslieferungen nach Deutschland ausbleiben könnten.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Bei ihrer Antrittsreise in die Ukraine sieht sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit Forderungen konfrontiert, dem Land gegen eine mögliche Aggression Moskaus auch mit der Lieferung von Waffen beizustehen. Kiews Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Zurückhaltung oder sogar Ablehnung von Rüstungshilfe durch die Grünen-Politikerin und die neue Bundesregierung seien "sehr frustrierend und bitter".

Die Ukraine verlangt seit Jahren Waffenlieferungen von Deutschland. Berlin hat bislang lediglich Sanitätsgüter bereitgestellt und erwägt, Schutzausrüstung zu liefern. Der Grünen-Co-Vorsitzende Robert Habeck hatte allerdings im Wahlkampf bei einem Besuch in der Ukraine im Mai gesagt, man könne dem Land "Defensivwaffen" kaum verwehren. Auch der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz plädiert angesichts des russischen Truppenaufmarschs dafür, Waffenlieferungen in Erwägung zu ziehen. Baerbock lehnt dies bislang ab.

Vor ihrer Abreise in die Ukraine und weiter nach Moskau sagte Baerbock, sie wolle ausloten, ob es die Bereitschaft gibt, auf diplomatischem Weg zu Lösungen zu kommen - vor allem den Normandie-Prozess wieder mit Leben zu füllen und endlich bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen voranzukommen. Deutschland und Frankreich hatten das Abkommen vermittelt, das einen Waffenstillstand vorsieht und einen Weg vorzeichnet, den Konflikt in der Ostukraine beizulegen.

In Kiew werde sie deutlich machen: "Wir führen keine Gespräche über die Ukraine an der Ukraine vorbei." Die Bundesregierung wolle auch dazu beitragen, das Potenzial der Ukraine zu stärken. "Ich will daher über Initiativen für die nachhaltige Modernisierung des ukrainischen Energiesektors sprechen, über die Entwicklung des grünen Wasserstoffmarkts und Unterstützungsangebote bei der Cyberabwehr."

Der Chef des ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz, Juri Vitrenko, warnte, dass es im Falle eines Einmarsches Russlands in der Ukraine auch zu Ausfällen bei Gaslieferungen nach Deutschland kommen könne. "Die ersten Bomben werden den Pipelines gelten", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Er bekräftigte die Forderung Kiews, dass die umstrittene Gasleitung Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen dürfe, die Russland unter Umgehung der Ukraine durch die Ostsee mit Deutschland verbindet.

Die US-Regierung hat Insidern zufolge mit Energiekonzernen Notfallpläne für Gaslieferungen nach Europa sondiert. Vertreter des Außenministeriums hätten mit den Unternehmen über Kapazitäten für höhere Liefermengen gesprochen, für den Fall, dass russische Gaslieferungen unterbrochen würden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Branchen- und Regierungskreise. Allerdings sei ein Ausfall großer Mengen aus Russland schwer zu ersetzen.

Mit Blick auf ihr für Dienstag geplantes Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in Moskau sagte Baerbock, man sei bereit "zu einem ernsthaften Dialog über gegenseitige Vereinbarungen und Schritte, die allen in Europa mehr Sicherheit bringen, auch Russland". Es könne und werde aber keine Abstriche geben von den Grundprinzipien der Helsinki-Schlussakte, die Europa in den vergangenen 50 Jahren vor dem Albtraum eines großen Kriegs bewahrt haben. "Dazu gehören die territoriale Unverletzlichkeit, die freie Bündniswahl und der Verzicht auf Gewaltandrohung als Mittel der Politik."

Sie bekräftigte die Entschlossenheit zu reagieren, wenn Russland stattdessen den Weg der Eskalation gehe. Sie werde "in aller Klarheit die Haltung erläutern, die wir in der EU, in den G 7 und im transatlantischen Bündnis geschlossen vertreten", sagte sie. Die G-7-Staaten, die EU und die Nato-Mitglieder haben Moskau mit schwerwiegenden Konsequenzen für den Fall eines Einmarsches gedroht. Auch Sanktionen gegen den Finanzsektor gehören dazu.

Unterdessen wandte sich der designierte CDU-Chef Merz dagegen, Russland im Falle eines Angriffs auf die Ukraine vom internationalen Banken-Zahlungssystem Swift auszuschließen. Das könnte "die Atombombe für die Kapitalmärkte und auch für die Waren- und Dienstleistungsbeziehungen sein", warnte er. Deswegen solle Swift "unangetastet" bleiben. Es ist aber nicht bestätigt, dass zu den vereinbarten Strafmaßnahmen auch der Swift-Ausschluss zählen würde.

Kremlsprecher Dmitrij Peskow warf den USA "falsche Anschuldigungen" gegen Russland und die Verbreitung von Lügen vor. Die Regierung in Moskau stellt in Abrede, dass sie einen Einmarsch in das Nachbarland plant. Sie erklärt den Aufmarsch von Truppen aber nicht, sondern beharrt darauf, diese jederzeit im eigenen Territorium nach ihrem Dafürhalten verlegen zu können.

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