Baden-Württemberg:Neuanfang im Wald

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Auf gemeinsamem Weg: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (links) und der CDU-Landeschef Thomas Strobl. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Beim Auftakt der Koalitionsverhandlungen vereinbaren Grüne und CDU einen ambitionierten Zeitplan. In vier Wochen soll der Koalitionsvertrag stehen.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

Mitten im Wald oberhalb des Stuttgarter Talkessels, nicht weit vom Trainingsgelände der Stuttgarter Kickers entfernt. Die Vögel zwitschern, die Sonne scheint. Nur kurzzeitig wird die Idylle an diesem Vormittag gestört von schwarzen Limousinen, aus denen Mitglieder der Verhandlungsteams von CDU und Grünen steigen - und vom Weckerklingeln, das aus den Mobiltelefonen von einer Hand voll Demonstranten tönt. Die Naturschutzorganisation BUND hat zum Auftakt der Koalitionsgespräche in Baden-Württemberg kurzfristig eine kleine Protestaktion organisiert und mit zwölf weiteren Organisationen in einem Appell die mögliche neue Landesregierung ermahnt, alles zu tun, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Dieses Papier nimmt ausgerechnet Thomas Strobl entgegen, Landeschef der CDU, die sich nach ihrem Wahldebakel zu einer Klimaschutzpartei zu wandeln scheint. Strobl bedankt sich für die Mühe und das Engagement der "wichtigen Umweltverbände" und verspricht: "Wir werden es uns auf jeden Fall anschauen und ernst nehmen."

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Beide Verhandlungsseiten haben betont, dass der Klimaschutz in der Neuauflage der grün-schwarzen Koalition Priorität haben solle. Auch eine erste Liste von Sofortmaßnahmen haben sie bereits schriftlich fixiert. Fritz Mielert, Umweltreferent beim BUND, der die kleine Demo im Wald anführt, ist dennoch unzufrieden. "Es ist nicht absehbar, dass damit ein 1,5-Grad-Ziel einzuhalten wäre", sagt er. Seine Skepsis werde dadurch verstärkt, dass die mögliche neue Landesregierung die Schuldenbremse einhalten wolle.

Mit dem Ergebnis des nur dreistündigen Auftakttreffens zeigen sich am frühen Nachmittag die Spitzen beider Parteien zufrieden - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) überlässt es seinen beiden Parteivorsitzenden, die Ergebnisse zu kommentieren. "Wir wollen gemeinsam einen Neuanfang machen", sagt der Parteivorsitzende Oliver Hildenbrand. Und CDU-Chef Strobl fühlt sich an ein bekanntes Gedicht von Hermann Hesse erinnert. Auch wenn man schon fünf Jahre miteinander unterwegs sei, könne man neu beginnen, sagt er. Es sei heute ein Zauber zu spüren gewesen, der nach Hesse jedem Anfang innewohne.

Kretschmann musste die eigene Partei überzeugen

Zwei Wochen lang sollen nun Fachpolitiker in Arbeitsgruppen Ziele für zwölf Politikfelder ausarbeiten. Zusätzlich wird es eine Arbeitsgruppe geben, die die Finanzen im Blick behält. Die bei den Sondierungen bereits vereinbarten Punkte stehen laut Sandra Detzer, Co-Parteivorsitzende der Grünen, allerdings nicht unter einem Finanzierungsvorbehalt. Wenn alles nach Plan läuft, sollen beide Parteien dem Koalitionsvertrag am 8. Mai zustimmen. Am 12. Mai könnte Kretschmann dann zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

Die CDU, der das Vorschlagsrecht für den Ort des ersten Koalitionsgesprächs zufiel, hat das Haus des Waldes ausgewählt, ein Bildungszentrum, das zur Forstverwaltung des Landes und damit zum Verantwortungsbereich des bisher CDU-geführten Landwirtschaftsministeriums gehört. Verhandelt wurde im Ausstellungsraum, umgeben von ausgestopften Waldtieren wie Fuchs und Rehbock, neben Schautafeln, die Wissen über Nachhaltigkeit, Konsum, Mobilität und globale Gerechtigkeit vermitteln. Ein symbolträchtiger Ort, wie CDU-Generalsekretär Manuel Hagel nach den Verhandlungen betont: "Weil wir nehmen's ernst mit dem Klimaschutzland Baden-Württemberg." Strobl ergänzt, dass für ihn eine Überschrift über den Koalitionsvertrag auch Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit bei den Finanzen sein könne.

Bei den Grünen war Kretschmanns Wunsch, noch einmal mit der CDU regieren zu wollen, umstritten. Der Parteivorstand hatte sich erst nach stundenlangen Gesprächen von ihm überzeugen lassen; viele Mitglieder an der Basis hatten sich eine Ampelkoalition mit SPD und FDP gewünscht. Aus Kretschmanns Sicht haben sich die Wogen geglättet, sagte er am Donnerstag. Wodurch? "Durch Information und durch Herrn Rülke selber. Der hat ex post durch seine Äußerungen bestätigt, dass das richtig war, was wir entschieden haben." Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke übt seit Tagen heftige Kritik an den bisher bekannten Plänen der möglichen neuen Koalition. Sandra Detzer von den Grünen sagt, sie habe ebenfalls den Eindruck, dass die Sondierungsergebnisse an der Basis gut angekommen sind. Abgehakt sei das Thema aber noch nicht: "Die Erwartungshaltung in der Breite der Partei ist schon, dass wir liefern."

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