Baden-Württemberg:Grün-Schwarz: Das Signal, das keines ist

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Weiter so: In Baden-Württemberg wird Winfried Kretschmann wohl auch weiterhin mit der CDU als Koalitionspartner regieren. (Foto: dpa)

Für die Bundestagswahl im September spielt es kaum eine Rolle, mit wem Winfried Kretschmann in Stuttgart regiert. Eine Ampel ist im Bund weiter möglich.

Kommentar von Kurt Kister

Eine Überraschung ist es nicht, dass die Grünen in Baden-Württemberg nun gemäß Winfried Kretschmanns Wunsch wohl weiter mit der CDU regieren werden. Die überparteiliche Popularität Kretschmanns war der entscheidende Grund dafür, dass die Grünen zum dritten Mal hintereinander die Regierung in Stuttgart anführen. Kretschmann will wegen der Seuche, aber auch wegen der nötigen Weichenstellungen in Sachen Klimapolitik, eine stabile Regierung. Die würde er mit SPD und FDP, zwei Ungefähr-zehn-Prozent-Parteien, die gegeneinander konkurrieren und dies in der Regierung fortsetzen würden, kaum bekommen; zumal die FDP die Grünen nicht nur im Wahlkampf als ihren Hauptgegner verstanden hat.

Dass sich nun linke und junge Grüne darüber aufregen, dass Kretschmann nicht mit der FDP koalieren will, ist nahezu absurd: Die FDP versucht sich fast überall als Gegenpol zu einer "bevormundenden" Politik zu zeichnen - und die politische Verkörperung dieser Politik sind für Christian Lindner und viele FDP-Wähler eben die Grünen.

Die CDU braucht Ruhe und positive Nachrichten. Das kommt Kretschmann zupass

Die CDU dagegen, nicht nur im Südwesten sehr geschwächt, ist einerseits nach Wählerstimmen dort immer noch stärker als SPD und FDP zusammen. Die Interpretation des Wahlergebnisses als Auftrag für einen Wechsel der Koalition muss wohl von einer Spitze der Bundes-SPD kommen, die elf Prozent in Baden-Württemberg als Erfolg verkaufen will. Die CDU wird andererseits fast alles tun, um genau jenen Eindruck zu erwecken, den Kretschmann haben möchte: gemeinsam und stabil für das Wohl des Landes zu arbeiten, nicht zuletzt weil die Union in ihrer selbstverschuldet schlechten Lage derzeit kaum etwas mehr braucht als Ruhe und positive Nachrichten; selbst wenn die ein Abglanz des Erfolgs anderer, also der Kretschmann-Grünen, sind.

Ohne Baden-Württemberg geringschätzen zu wollen: Für die Bundestagswahl ist die Zusammensetzung der Regierung im Südwesten wenig relevant. Union und Grüne, die im Bund wohl die stärksten Parteien werden, müssen nach der Wahl im Lichte der Ergebnisse ihre Möglichkeiten prüfen. Und wohl kaum jemand wird im September seine Entscheidung bei der Bundestagswahl davon abhängig machen, ob es in Stuttgart eine schwarz-grüne oder eine Ampelregierung gibt.

Offensichtlich ist: Wer die Union derzeit ablehnt, wechselt nicht zur SPD

CDU und CSU können in ihrer gegenwärtigen Malaise, und noch dazu mit einem umstrittenen Spitzenkandidaten, mehr oder weniger deutlich unter 30 Prozent fallen; die Grünen werden, auch weil Baerbock und auch Habeck keine Kretschmann-Qualitäten haben, die Union wohl kaum überholen. Die SPD hat bisher vom Absturz der Union nicht profitiert; sollte sie im Bund in die Nähe der 20 Prozent kommen, wäre dies ein Erfolg, auch wenn es angesichts ihrer Geschichte eine Schande wäre. Es zeichnet sich nicht ab, dass jene Menschen, die ihr Vertrauen in die Union verlieren, die SPD für eine veritable Alternative halten.

Die Frage wird sein, ob Grüne und Union auch im Bund kooperieren wollen. Und sollte sich im Oktober, nach der Wahl, dort doch eine Ampel abzeichnen, ist es dafür egal, dass Kretschmann in Stuttgart keine Ampel wollte. Auch wenn jetzt wieder tagelang von einem "Signal" geredet werden wird: Die Regierungsbildung in Stuttgart ist eine Regierungsbildung und kein Signal.

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