Baden-Württemberg:Wie schützt man den Landtag vor einem Abgeordneten?

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Der AfD-Abgeordnete Udo Stein im Stuttgarter Landtag (r.). (Foto: Arnulf Hettrich/Imago)

Gegen den AfD-Politiker Udo Stein wird unter anderem wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt. Nach längerer Abwesenheit könnte er in den Plenarsaal in Stuttgart zurückkehren. Das bereitet dort manchen Sorgen.

Von Max Ferstl und Roland Muschel, Stuttgart

Als der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Udo Stein (AfD) im vergangenen Dezember den Landtag betrat, verschickte die Pforte eine ungewöhnliche E-Mail an die Fraktionen. Sie enthielt nur eine Zeile: Udo Stein hat das Gebäude betreten. Normalerweise betreten Abgeordnete den Landtag von Baden-Württemberg unbemerkt mit einer Chipkarte. Doch wenn Stein auftaucht, sollten das die anderen wissen.

Der 40-Jährige steht gerade unter verschärfter Beobachtung. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt gegen ihn, nachdem er im Mai und Juni des vergangenen Jahres immer wieder öffentlich durch aggressives Verhalten auffällig geworden war. Stein soll unter anderem Polizisten bedroht und mit Softair-Pistolen hantiert haben.

Eine von Steins Pistolen fehlt, in seinem Büro wurden ein Jagdmesser und Munition gefunden

Es geht um den Anfangsverdacht des Hausfriedensbruchs, des Verstoßes gegen das Waffengesetz und der versuchten Körperverletzung. Offenbar befand sich Stein dabei in einem psychischen Ausnahmezustand, das soll seinem Anwalt Reinhard Löffler zufolge ein Gutachten nahelegen. Nach den Vorfällen wurde Stein in einer psychiatrischen Klinik behandelt.

Hinzu kommt, dass Stein als passionierter Jäger zahlreiche Waffen besitzt. Als die Polizei sein Haus und seine Jagdhütte durchsuchte, wurden allerdings auch illegale Exemplare gefunden. Das größere Problem aber ist: Eine Pistole fehlt derzeit noch. Außerdem tauchte in seinem Landtagsbüro ein Rucksack mit einem Jagdmesser und Munition auf.

Auch deshalb sind in der Landespolitik gerade einige nervös. Denn es verdichten sich die Anzeichen, dass Stein in den Plenarsaal zurückkehrt. Im Dezember nahm er schon an einer Sitzung der AfD-Landtagsfraktion teil, hielt sich in seinem Abgeordnetenbüro auf. Und wenn an diesem Mittwoch der Landtag zum ersten Mal in diesem Jahr zusammenkommt, könnte Stein an der Debatte teilnehmen.

Der Zugang zum Reichstag wird seit den Reichsbürgerprotesten stärker reguliert

Unter den Abgeordneten ist von einem "gewissen Unwohlsein" die Rede. Aber auch von einer Verantwortung, den Landtag als Institution zu schützen. Schließlich kämen zu den Debatten auch Besucher, Schülergruppen. Die Frage, wie dieser Schutz aussehen könnte, ist allerdings heikel. Nicht nur, weil sie den Umgang mit einem mutmaßlich psychisch Erkrankten berührt. Sondern auch, weil das Abgeordnetenmandat per Gesetz frei ist - sich also nicht so ohne Weiteres einschränken lässt.

Die Debatte um die Sicherheit von Parlamenten hat vor dreieinhalb Jahren Fahrt aufgenommen, als Rechtsextreme bei einer Demonstration die Treppe vor dem Reichstag besetzten. Im vergangenen Jahr beschloss der Ältestenrat, die Zugangsregeln zu verschärfen. Bundestagsabgeordnete müssen nun zum Beispiel ihre Ausweise am Eingang vorzeigen. Für mehr Personen gelten Sicherheitskontrollen. Anlass waren Störungen durch Aktivisten der "Letzten Generation" sowie Ermittlungen in der Reichsbürgerszene, bei denen auch die ehemalige AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann festgenommen wurde.

Stein hat sich inzwischen selbst verpflichtet, sich den Kontrollen zu unterziehen

Der Fall des Abgeordneten Stein ist allerdings komplizierter. Hier geht es nicht um schärfere Regeln für alle Abgeordneten, sondern für einen einzelnen. Bislang hatte sich die Landtagsverwaltung mit befristeten Verfügungen beholfen.

Demnach durfte Stein das Parlament nur durch den Haupteingang betreten und musste sich dort vom Sicherheitspersonal mit einem Körperscanner durchsuchen lassen. Die Verfügung galt innerhalb des Landtagspräsidiums allerdings als juristisch unsichere Konstruktion. Man habe teils schneller reagieren müssen, als Rechtsgutachten vorgelegen hätten, heißt es.

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Anstelle der Verfügung tritt nun eine freiwillige Selbstverpflichtung von Stein, sich den Kontrollen zu unterziehen. Seine Zugangskarte fürs Parlamentsgebäude bleibt so programmiert, dass er nur über die Hauptpforte hereinkommt.

"Ich habe Verständnis, dass die Landtagsverwaltung im Augenblick noch Vorsichtsmaßnahmen ergreift", sagt sein Anwalt Löffler, der selbst für die CDU im Landtag sitzt. Stein selbst reagierte nicht auf eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung. Die jetzige Regelung soll dem Vernehmen nach bis zur nächsten Präsidiumssitzung gelten. Wie es danach weitergeht, ist offen.

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