Atomkraftwerke:"Dann ist Schluss, ein für alle Mal"

Lesezeit: 2 min

Das AKW Neckarwestheim darf länger laufen - aber nur unter Protest einiger Abgeordneter der Grünen. Auch in der SPD sind nicht alle glücklich. (Foto: Arnulf Hettrich/imago)

Die Ampelkoalition besiegelt im Bundestag den vorübergehenden Weiterbetrieb von drei Kernkraftwerken bis Mitte April. Doch das Votum wird zum Warnschuss. Mehrere Grüne stimmen gegen die Koalitionslinie.

Von Markus Balser, Berlin

Offenbar ahnte die Ampel-Koalition schon beim Aufsetzen ihres Koalitionsvertrags, dass es heftig knirschen könnte. Auf Seite 138 hielten SPD, Grüne und FDP jedenfalls vorsorglich fest: "Im Deutschen Bundestag [...] stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab." Das gelte auch für Fragen, "die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind".

Was dann am Freitagmorgen im Bundestag zur Abstimmung kam, gehörte tatsächlich keineswegs zu der vor einem Jahr vereinbarten Politik: Denn auf der Tagesordnung stand der vorübergehende Weiterbetrieb der letzten drei deutschen Atomkraftwerke bis Mitte April. Zwar stimmte die große Mehrheit der Ampel-Abgeordneten am Ende für diesen sogenannten Streckbetrieb der Meiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland. Damit dürfen die Atomkraftwerke, die nach dem Atomgesetz eigentlich am 31. Dezember vom Netz gehen müssten, nun noch bis zum 15. April Strom liefern - wenn auch nur mit den vorhandenen Brennelementen.

Doch zum Warnschuss für die rot-grün-gelbe Koalition wurde die Abstimmung trotzdem. Immerhin neun grüne Abgeordnete votierten gegen die eigene Fraktionslinie. Parlamentarier wie der Niedersachse Julian Pahlke lehnten den Kompromiss unter Verweis auf mangelnde Effekte für die Energieversorgung ab. Pahlke zufolge werde der Strom auf diese Weise gar nicht billiger, die Versorgungssicherheit nicht stabiler.

Stimmen gegen die eigene Fraktion sind eigentlich unüblich

Die Abweichler gefährdeten zwar die Mehrheit der Koalition im Parlament nicht. In namentlicher Abstimmung votierten 375 Abgeordnete für die Änderung des Atomgesetzes, dagegen stimmten 216, 70 enthielten sich. Dennoch gelten die Gegenstimmen aus den eigenen Reihen auch als interne Mahnung, den Atomstreit nun endgültig beizulegen. Denn Voten gegen die eigene Koalitionslinie sind eigentlich unüblich, auch wenn Abgeordnete laut Grundgesetz nur ihrem Gewissen und nicht der eigenen Fraktion verpflichtet sind. Die Abgeordneten von SPD und FDP stimmten am Freitag geschlossen für die Verlängerung der Laufzeiten.

Der Streit um das Aufweichen des Atomausstiegs hatte die Koalition zuvor über Monate im Kern gespalten. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollte zunächst nur zwei Reaktoren in Reserve halten und bei Bedarf wieder hochfahren. Die FDP hatte dagegen deutlich längere Laufzeiten für alle AKWs verlangt, auch um die Strompreise zu dämpfen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beendete den Streit schließlich mit einem Machtwort und entschied die Verlängerung bis Mitte April. Aus den Reihen der FDP waren dennoch zuletzt erneut Überlegungen laut geworden, die Atomkraftwerke über weitere Winter laufen zu lassen.

Eine letzte Hürde kommt noch

Die hitzige Bundestagsdebatte, die der Abstimmung am Freitag vorangegangen war, machte allerdings auch deutlich, dass neben den Grünen auch die SPD den Atomausstieg im April endgültig abschließen will. Der SPD-Abgeordnete Carsten Träger sagte mit Blick auf den 15. April: "Ich werde an diesem Tag meine Kinder und meine Frau umarmen und mit einem Glas Sekt anstoßen." Es bleibe beim Atomausstieg. "Dann ist Schluss, ein für alle Mal." Seine Fraktionskollegin Nina Scheer warnte, mit einem längerfristigen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken würden erneuerbare Energien verdrängt.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Die Union kritisierte den Entwurf dagegen scharf. Eine nur kurzfristige Verlängerung der Laufzeiten bringe zu wenig Entlastung beim Preis und bei der Sicherheit der Energieversorgung, sagte der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger. Die CDU/CSU-Fraktion hatte in einem eigenen Antrag eine Laufzeitverlängerung für die drei Atomkraftwerke bis mindestens Ende 2024 vorgeschlagen. Der Antrag scheiterte.

Damit der Streckbetrieb der drei Kraftwerke möglich wird, muss sich nun auch noch der Bundesrat am 25. November mit dem Vorhaben befassen. Dass die Länderkammer die Pläne noch zu Fall bringt, gilt jedoch als äußerst unwahrscheinlich.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivGutachten
:Wirtschaftsweise fordern höhere Steuern und längere AKW-Laufzeiten

Das neue Gutachten der Wirtschaftsweisen hat es in sich: Die Ökonomen verwerfen die Steuerpläne von Finanzminister Lindner, wollen Topverdiener zur Kasse bitten und Atomkraft vorübergehend länger nutzen.

Von Alexander Hagelüken, Collagen: Stefan Dimitrov

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: