Atomkatastrophe in Japan:Die IAEA - mehr als hilflos

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Keine Experten im Krisengebiet, groteske Pressekonferenzen, Beschwichtigungstaktik: Die Rolle der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA bei der Atomkatastrophe in Japan sorgt für großen Unmut bei einigen westlichen Staaten.

Paul-Anton Krüger

Grotesk mutete die Pressekonferenz an, zu der die Internationale Atomenergiebehörde IAEA am Montagabend in Wien geladen hatte. Während der Sprecher der japanischen Regierung, Yukio Edano, am Nachmittag in Tokio wie zuvor schon der Kraftwerksbetreiber Tepco eingestanden hatte, dass Brennelemente in den drei havarierten Blöcken des Kernkraftwerks Fukushima-1 "sehr wahrscheinlich" zumindest teilweise schmelzen, sagte James Lyon, der für Nuklearsicherheit zuständige Direktor der IAEA Stunden später, seiner Behörde lägen "keine Informationen vor", dass nuklearer Brennstoff schmelze.

IAEA-Chef Yukiya Amano: Die Rolle der IAEA beschränke sich darauf, "bestätigte und offizielle Informationen" über den Stand des Reaktorunfalls aus Japan weiterzugeben. (Foto: REUTERS)

Wie IAEA-Chef Yukiya Amano, früher Japans Botschafter bei der Atombehörde, zuvor mehrmals betont hatte, beschränkt sich die Rolle der Wiener Atomwächter darauf, "bestätigte und offizielle Informationen" über den Stand des Reaktorunfalls aus Japan an die anderen Mitgliedstaaten der Organisation weiterzugeben.

Die IAEA ist also von den Informationen abhängig, die sie selbst aus Japan erhält. Bestätigte Informationen, wie es in den Druckgefäßen der drei Reaktoren aussieht, hat natürlich auch dort niemand. Es wird Monate oder gar Jahre dauern, bis man weiß, welche Schäden an dem nuklearen Inventar entstanden sind. Zu einem gewissen Maß sind also alle dahingehenden Aussagen Spekulation - und daran könne sich die IAEA nicht beteiligen, wie Amano erklärte.

Es ist möglich, dass etwa die aus einer Zirkon-Legierung bestehenden Hüllrohre der Brennelemente geschmolzen sind, nicht aber die darin enthaltenen Uran-Tabletten, der eigentliche nukleare Brennstoff. Die Freisetzung bestimmter radioaktiver Substanzen sowie die Berichte des Betreibers, der japanischen Atomaufsicht und die Aussagen der Regierung lassen aber nach einhelliger Auffassung von Experten darauf schließen, dass die Brennelemente zumindest teilweise geschmolzen sind und es in allen drei Reaktoren zu schweren Schäden am Reaktorkern gekommen ist.

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Es wirkte angesichts dieser Informationslage schon mehr als hilflos, dass der Sicherheitsexperte Lyon noch flugs ergänzte, man habe es mit einer "dynamischen Situation" zu tun, die man noch nicht abschließend bewerten könne.

Die IAEA ist von den Informationen abhängig, die sie selbst aus Japan erhält. Bestätigte Informationen, wie es in den Druckgefäßen der drei Reaktoren aussieht, hat natürlich auch dort niemand. (Foto: dpa)

Unmut über die Informationspolitik der IAEA macht sich inzwischen auch bei einigen westlichen Staaten breit. Dem Vernehmen nach intervenierten über das Wochenende vor allem Deutschland und die USA deswegen mehrmals bei Amano.

In Diplomatenkreisen hieß es, die IAEA habe mit ihrer Pressekonferenz, die nun täglich stattfinden soll, viel zu lange gewartet. Ein hochrangiger Diplomat sprach von einem "PR-Desaster" und bedauerte, dass es der IAEA nicht gelungen sei, auf rein technischer Basis das Wissen ihrer Experten verfügbar zu machen, selbst wenn man die begrenzte Rolle der IAEA berücksichtige. Damit habe es diese versäumt, einen Beitrag zu leisten, die Debatte sachlich und transparent zu gestalten.

Die IAEA beobachtet die Situation rund um die Uhr in ihrem Notfallzentrum in der Wiener UN-City, das mit Experten aus verschiedenen Abteilungen besetzt ist. Intern mag man über eine detaillierte Einschätzung der Lage verfügen, zumal Amano zweifellos gute Verbindungen zur Regierung in Tokio hat. Zumindest öffentlich kommuniziert man diese aber nicht - weil das nicht vom Mandat der Behörde umfasst ist, wie es heißt.

Die IAEA hat bislang auch keine Experten im japanischen Krisengebiet, von denen sie zusätzliche Informationen erhalten könnte. Japan hat am Montag zwar um die Entsendung von Spezialisten gebeten, die Details müssen aber noch geklärt werden. Vermutlich entsendet die IAEA eher Mitarbeiter, die bei der Überwachung der Strahlung oder der Analyse von Proben aus der Umwelt helfen können. Sie verfügt nicht über Reaktorexperten, deren Wissen über das der japanischen Techniker und Ingenieure hinausgeht, kann also zur Stabilisierung der Reaktoren nichts beitragen. Darüber hinaus ist sie zuständig dafür, internationale Hilfe zu koordinieren, sollte Japan diese anfordern.

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