Italien:Treffen am Vaterlandsaltar

Lesezeit: 2 min

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat es zuletzt vermieden, sich zur Faschismus-Debatte in Italien zu äußern. Ihre Parteifreunde waren dafür umso deutlicher. (Foto: Gugliemo Mangiapane/Reuters)

Giorgia Meloni führt eine Regierung, in der das faschistische Erbe noch sehr präsent ist. Ihr Gegenspieler am Feiertag des 25. April ist Staatspräsident Sergio Mattarella.

Von Marc Beise, Rom

Am pompösen Vaterlandsaltar im Zentrum von Rom werden sie sich an diesem Dienstag begegnen: Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Staatspräsident Sergio Mattarella. Es gilt den 25. April als politischen Feiertag zu begehen, und die Augen der politisch interessierten Öffentlichkeit ruhen auf dem Thema und den beiden Protagonisten. Bereits im Vorfeld gibt es zahlreiche Fernsehberichte, Hintergrundsendungen, geschichtliche Dokumentationen, ein umfangreiches Programm.

Das Ganze ist bemerkenswert anders, als wenn sich in Deutschland Kanzler Scholz und Präsident Steinmeier bei einem Festakt treffen. Der 25. April ist in Italien der Feiertag, der ganz besonders zur politischen Kontroverse einlädt: Es geht um die unbewältigte Vergangenheit des Faschismus unter dem Diktator Benito Mussolini, der zusammen mit den Nazi-Besatzern vor 78 Jahren von der Macht vertrieben wurde.

Am 25. April 1945 rief Sandro Pertini, der spätere italienische Staatspräsident, zum allgemeinen Aufstand gegen die deutschen Truppen auf, was innerhalb weniger Tage zur Befreiung aller norditalienischen Städte führte. Bis heute ist der Feiertag in seiner Deutungshoheit heftig umstritten. Während die Linken den Sieg über den Faschismus feiern, betonen die Rechten die Befreiung von den Nazi-Besatzern. Und nun ist es im Jahr 2023 der erste Jahrestag, seitdem die stramm rechte Regierung von Giorgia Meloni an der Macht ist, weshalb alle politischen Äußerungen mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt werden.

Der Landwirtschaftsminister packte einen Kampfbegriff der extremen Rechten aus

Meloni hat sich in den vergangenen Tagen eisern zurückgehalten, aber sie lässt die Debatte in ihrer Partei, den postfaschistischen Fratelli d'Italia, laufen. Ihr enger Vertrauter und Schwager, Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, hat im Zusammenhang mit der wachsenden Zahl von illegalen Migranten den Kampfbegriff der extremen Rechten vom "ethnischen Bevölkerungsaustausch" ausgepackt, Senatspräsident Ignazio La Russa wies demonstrativ darauf hin, dass das Wort "Antifaschismus" ja gar nicht in der Verfassung stehe - beides und manch andere Äußerung empören die liberale und linke Opposition. Es ist natürlich auch kein Zufall, dass La Russa am Festakt teilnimmt, aber anschließend postwendend nach Prag reist, um Jan Palach zu ehren, einen Märtyrer des Antikommunismus.

Ganz klar Stellung bezogen hat dagegen der frühere Neofaschist Gianfranco Fini. Meloni müsse mit klaren Worten dem Faschismus abschwören, forderte er und legt damit offen, was bisher eben nicht passiert ist. Und Fini ist nicht irgendwer. Einst verherrlichte er Mussolini als größten Staatsmann des 20. Jahrhunderts - ehe er als letzter Vorsitzender die neofaschistische Partei MSI in den 1990er-Jahren schrittweise vom Faschismus wegführte, sie ging später in der Mitte-rechts-Sammelpartei von Silvio Berlusconi auf. Fini war auch eine Art Ziehvater der jungen Politikerin Meloni, was seinen Worten erst recht Bedeutung gibt.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Aber nicht nur die Fratelli d'Italia, auch die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini und die rechtskonservative Forza Italia des schwerkranken Patriarchen Silvio Berlusconi denken nicht daran, sich im Sinne der Forderung Finis klar antifaschistisch zu positionieren. Die Koalition brachte im Parlament eine Resolution ein mit der Aussage "Keine Sympathie für totalitäre Regime", aber sie vermied peinlich das Wort "Antifaschismus". Entsprechend verweigerte die Opposition in einer heftigen Debatte die Zustimmung.

Deshalb erst recht werden sich am 25. April alle Augen auf den parteilosen Staatspräsidenten Sergio Mattarella richten, der längst in beeindruckender Art und Weise das Gewissen des Landes verkörpert. Er findet immer wieder eindeutige Worte zum Faschismus, welche die Herzen der Linken erfreuen, denen die Rechten aber immerhin nicht offen widersprechen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungItalien
:So nett ist sie dann doch nicht

Regierungschefin Giorgia Meloni gibt sich alle Mühe, in der EU nicht negativ aufzufallen. Daheim aber hat sie keine Einwände dagegen, den historischen Faschismus zu relativieren und im Hier und Jetzt Minderheiten zu diskriminieren.

Kommentar von Andrea Bachstein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: