Ukraine:Symbolträchtiger Besuch in Kiew

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Außenministerin Annalena Baerbock hört einem ukrainischen Kriegsstaatsanwalt zu bei ihrem Besuch in der Nähe eines Massengrabs in Butscha. (Foto: Efrem Lukatsky/dpa)

Außenministerin Baerbock reist in die Ukraine, um die Unterstützung der Bundesregierung persönlich deutlich zu machen. Auch die Wiedereröffnung der Botschaft soll ein Zeichen setzen.

Von Christoph Koopmann und Paul-Anton Krüger, Kiew/Berlin

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat der Ukraine bei ihrem Besuch in der Hauptstadt Kiew weitere Unterstützung zugesagt und die deutsche Botschaft wieder eröffnet. Sie war am Dienstag als erstes Mitglied der Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seit Beginn des Angriffskriegs des russischen Präsidenten Wladimir Putin am 24. Februar in das Land gereist. Wenige Tage zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij die Verstimmungen in Berlin über den abgesagten Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Telefonat ausgeräumt.

Selenskij empfing Baerbock am Nachmittag zusammen mit dem niederländischen Außenminister Wopke Hoekstra. Im Mittelpunkt des "freundlichen und offenen Gesprächs" standen nach Angaben aus Delegationskreisen die militärische Unterstützung, der Wiederaufbau sowie die Frage, wie die russische Blockade der weltweit dringend benötigten Nahrungsmittelexporte aus der Ukraine gelöst werden könne.

Baerbock hatte zuvor schon in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem Kollegen Dmytro Kuleba bekräftigt, dass bereits in wenigen Tagen ukrainische Soldaten in Deutschland ihre Ausbildung an der Panzerhaubitze 2000 beginnen sollen. Deutschland und die Niederlande wollen insgesamt zwölf der Artilleriegeschütze mit einer Reichweite von 40 Kilometern liefern. Sie würden in der Ukraine ankommen, bevor die Ausbildung der Soldaten abgeschlossen sei; laut Bundesverteidigungsministerium dauert sie normalerweise 40 Tage, soll aber verkürzt werden.

Die Außenministerin sagte bei der Pressekonferenz auch, dass Deutschland künftig vollständig ohne Energie des "Aggressors" Russland auskommen wolle. "Deshalb reduzieren wir mit aller Konsequenz unsere Abhängigkeit von russischer Energie auf Null - und zwar für immer".

Baerbock zeigte sich schockiert von den Gräueltaten, die russische Soldaten an der Zivilbevölkerung verübt haben. Der ukrainischen Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa sagte sie nach einem Besuch in dem Vorort Butscha "politisch, finanziell und personell" Hilfe bei der Aufklärung und Verfolgung russischer Kriegsverbrechen zu. Dort waren nach Abzug der Besatzungstruppen Hunderte Leichen gefunden worden. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. "Das sind wir den Opfern schuldig", sagte Baerbock.

Viele der Getöteten waren augenscheinlich Zivilisten, die zum Teil gefoltert und wahllos erschossen worden waren. Baerbock wurde von einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft an dessen Haus empfangen. Sie besuchte auch Irpin, einen benachbarten Ort, der durch Beschuss stark beschädigt wurde. Wochenlang hatten ukrainische Soldaten ihn gegen russische Truppen verteidigt und so deren Vormarsch gestoppt.

Eine Abkürzung in die EU gebe es nicht, sagte Baerbock

Baerbock sprach sich für eine europäische Perspektive der Ukraine aus. Sie sei zuversichtlich, dass die Ukraine einen "klaren Kandidatenstatus" erhalten werde, der erste Schritt zu einer Vollmitgliedschaft in der EU. Zugleich machte sie deutlich, dass die Kriterien und die Verfahren für den Beitritt eingehalten werden müssten; es gebe "keine Abkürzung". Baerbock sagte, dass die deutsche Vertretung mit einer Minimalbesetzung den Betrieb wieder aufnehme. Sie wurde von der deutschen Botschafterin Anka Feldhusen begleitet, die nach Kiew zurückkehrt. Deutschland ist eines der letzten westlichen Länder, das seine Botschaft in Kiew wieder öffnet.

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