Bundesregierung:Ampel bekommt schlechtes Klima-Zeugnis

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Einsparbedarf sehen die Experten des Klimarates vor allem im Verkehrssektor. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Vage Maßnahmen, kein schlüssiges Gesamtkonzept: Experten kritisieren die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung und sehen vor allem bei zwei Ressorts Probleme. Was die Wissenschaftler bemängeln.

Sie hatten sich so viel vorgenommen, wollten so vieles besser machen. Gerade beim Klimaschutz hatte die Ampelkoalition hehre Ziele. Um 65 Prozent soll Deutschland seine CO₂-Emissionen bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 senken. Bislang sind es nur gut 40 Prozent.

Nun hat der unabhängige Expertenrat für Klimafragen das Klimaschutzprogramm für das laufende Jahr bewertet - und die Wissenschaftler stellen der Ampelkoalition ein wirklich schlechtes Zeugnis aus. Zwar gingen die Maßnahmen in die richtige Richtung, reichten aber bei Weitem nicht aus.

Es fehle "ein schlüssiges Gesamtkonzept", sagte Brigitte Knopf, die stellvertretende Vorsitzende des Expertengremiums, bei der Vorstellung der Untersuchung in Berlin. Zudem beschreibe die Bundesregierung ihre Klimaschutzmaßnahmen "nur sehr vage und unkonkret". Es fehle darüber hinaus "eine Abschätzung von sozialen und ökonomischen und ökologischen Folgewirkungen". Und schließlich bestünden noch immer klimaschädliche Subventionen, die die Einhaltung der Ziele gefährdeten.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte vor der Sommerpause betont, mit dem Klimaschutzmaßnahmen, die die Ampel inzwischen auf den Weg gebracht habe, werde es gelingen, etwa 80 Prozent der angestrebten CO₂-Minderung zu erreichen. Habeck suchte damals dem Eindruck entgegenzutreten, er habe es zugelassen, dass FDP und SPD das Klimaschutzgesetz so verwässert haben, dass die Einhaltung der Ziele gefährdet ist.

Auf 200 Millionen Tonnen beziffert Habeck die Menge an klimaschädlichen Treibhausgasen, die bis 2030 noch eingespart werden muss. Diese Prognose zweifelt der Expertenrat an. Er geht von einer deutlich größeren Lücke aus.

Bei etlichen von der Ampel anvisierten 130 Maßnahmen sehe er die "Realisierungswahrscheinlichkeit" kritisch, sagte der Gremiumsvorsitzende Hans-Martin Henning mit. Die Regierung habe zwar einen hohen Anspruch formuliert, den sie jedoch nicht einlösen könne. Die Realität weiche stark von den Annahmen ab. Die klimaschädlichen Treibhausgase würden wohl weniger stark reduziert als vorausgesagt - selbst wenn das Klimaschutzprogramm komplett umgesetzt würde.

Bescheidene Erfolge sieht das Expertengremium allenfalls in den Sektoren Energie und Industrie. Hier könne es gelingen, in signifikanter Höhe Treibhausgas-Emissionen einzusparen. Den Gebäude- und noch stärker den Verkehrssektor hat der Expertenrat als Problembereich identifiziert. Im Gebäudebereich bleibe bis 2030 eine Lücke von insgesamt 35 Millionen Tonnen CO₂, die eingespart werden müssen, um die Klimaziele zu erreichen. Im Verkehrsbereich sind es bis 2030 zwischen 117 und 191 Millionen Tonnen.

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Henning bemängelte auch eine "inkonsistente Datenlage". Damit ließe sich keine zuverlässige Vorhersage zur Gesamtwirkung des Klimaschutzprogramms machen. Das entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben.

Das Klimaschutzprogramm, das der Expertenrat zu bewerten hatte, beruht noch auf der bisherigen Rechtslage, nach der die einzelnen Sektoren wie Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft Klimaziele erfüllen und die zuständigen Ressorts bei Bedarf nachsteuern sollen. Auf Wunsch der FDP soll es an diesem Verfahren jedoch Änderungen geben.

Die Klimaziele sollen nicht mehr einzeln, sondern, wie das Klimaschutzministerium schreibt, "in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend" kontrolliert werden. Konkret heißt das: Statt einzelner Ressorts will die Bundesregierung künftig als Ganzes entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO₂-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll - allerdings erst, wenn Ziele zwei Jahre hintereinander verfehlt werden. Umweltverbände kritisieren die Reform scharf. Sie befürchten, einzelne Ressorts wie das Verkehrsministerium würden aus der Verantwortung genommen.

© SZ/dpa/Reuters/saul - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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