Afrika:Wo Homosexuellen Haft oder sogar Hinrichtung droht

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Schwule und Lesben, die anonym bleiben wollen, demonstrieren in Kenia gegen die Verfolgung queerer Menschen in Uganda (Archivbild von 2014). (Foto: Ben Curtis/dpa)

Uganda verabschiedet ein neues, scharfes Gesetz gegen alle queeren Menschen. Auch in vielen anderen afrikanischen Ländern stoßen LGBTQ-Personen auf Hass und Ablehnung. Warum ist die Homophobie dort so gesellschaftsfähig?

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Ein Abgeordneter des Parlaments in Uganda forderte am Dienstag, man müsse auch Vaseline verbieten, die nichts weiter sei als ein Mittel zur Verbreitung der Homosexualität. Keine Gleitcreme, keine Schwulen, so einfach sei das. Ein anderer sagte unter dem Gelächter seiner Kollegen, es gebe "keinen Grund, dass ein Mann einem anderen Mann hinterherlaufen müsse, um Sex zu haben", nichts sei schöner als der Akt mit einer Frau.

So ging das einige Stunden im Parlament von Uganda, wo am Dienstag ein Gesetz verabschiedet wurde, das nicht nur die Homosexualität unter Strafe stellt, sondern auch die Mitwisserschaft kriminalisiert, ja letztlich jeden, der sich nur als schwul, lesbisch oder trans bekennt oder sich für die Rechte von LGBTQ-Menschen einsetzt. Es drohen bis zu zehn Jahren Haft.

Präsident Yoweri Museveni muss das Gesetz noch unterzeichnen, was er wohl tun wird. "Homosexuelle sind eine Abweichung von der Norm", sagte der Autokrat im Parlament. Die Polizei hat offenbar bereits mit Verhaftungen begonnen, mehr als zehn Männer sollen in der vergangenen Woche wegen "Praktizierung der Homosexualität" verhaftet worden sein.

In Südsomalia, Somaliland, Mauretanien und Nordnigeria steht auf Homosexualität der Tod

Intoleranz und Hass auf Homosexuelle hat in Uganda eine gewisse Tradition, bereits 2009 wurde ein Gesetz vorgestellt, das Homosexualität unter Todesstrafe stellt, 2013 wurde daraus lebenslange Haft. In Kraft trat es nie, wohl auch, weil viele westliche Länder damit drohten, die Entwicklungshilfe zu reduzieren. So könnte es auch diesmal kommen, aber der Schaden ist bereits entstanden, sagen viele Aktivisten.

Der ugandische Abgeordnete John Musira demonstriert seine homophobe Überzeugung während der Diskussion über das neue Gesetz im Parlament. (Foto: Abubaker Lubowa/Reuters)

"Sie versuchen, eine schwulenfeindliche Rhetorik zu schüren, um von dem abzulenken, was für die Ugander im Allgemeinen wirklich wichtig ist. Es gibt keinen Grund für ein Gesetz, das Personen kriminalisiert, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen führen", sagte Clare Byarugaba, Aktivistin für LGBTQ-Rechte, der BBC. Homosexuelle in Uganda berichten bereits von zunehmender Gewalt und von Erpressern, die drohten, ihre sexuelle Orientierung öffentlich zu machen.

Die Empörung hält sich in Grenzen - in vielen Ländern Afrikas gehört Schwulenfeindlichkeit zum gesellschaftlichen Konsens. Von den 69 Ländern, die weltweit gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisieren, liegen 33 in Afrika. In Südsomalia, Somaliland, Mauretanien und Nordnigeria steht auf Homosexualität die Todesstrafe. In Ländern wie Gambia und Sierra Leone droht lebenslange Haft. In Burundi steht Homosexualität seit 2009 unter Strafe, in der vergangenen Woche wurden 24 Personen angeklagt, die an einem Seminar über HIV-Prävention teilgenommen hatten.

In Kenia löste im Februar ein Urteil des Obersten Gerichtshofes einige Empörung aus; die Richter hatten entschieden, dass einem LGBTQ-Verein 2013 zu Unrecht die Registrierung verweigert wurde. Auch hier fordern viele Politiker eine Verschärfung der Gesetze, obwohl Homosexualität bereits verboten ist. Für Kenias Präsident William Ruto ist Homosexualität ein westlicher Import, den Kenias "Bräuche, Traditionen, Christentum und Islam nicht zulassen können".

Viele Politiker befeuern die Homophobie offenbar, um von eigenem Versagen abzulenken

Dass Homosexualität "un-afrikanisch" sei, ist ein Argument, das seit Jahrzehnten von schwulenfeindlichen Politikern benutzt wird. Simbabwes verstorbener Diktator Robert Mugabe hatte seit Jahrzehnten gegen Schwule gehetzt, die "schlimmer als Hund und Schweine" seien, und davon geredet, dass "europäische Homosexuelle in Afrika rekrutieren". Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass nicht die Homosexualität aus Europa importiert wurde, sondern eher die Homophobie.

In Simbabwe gibt es Höhlenmalereien, die gleichgeschlechtlichen Sex zeigen. Buganda, ein Königreich im heutigen Uganda, hatte mit Mwanga II. einen schwulen König. Ähnliche Belege und Erzählungen finden sich aus vielen anderen Ländern. Homophobie und Verfolgung begannen wohl erst mit dem Eintreffen europäischer und arabischer Kolonialisten.

Die Gesetze, die in Kenia, Tansania und Uganda die Homosexualität kriminalisieren, stammen noch aus der britischen Herrschaft. Heute wird Homophobie von vielen Politikern gerne benutzt, um von eigenem Versagen abzulenken. Schwule, Lesben und Transgender seien Sündenböcke für die politische Führung, die es nicht geschafft habe, die Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern, sagt die tansanische Aktivistin Fatma Karume.

Der ghanaische Philosoph Martin Odei Ajei versucht sich noch an einer weiteren Erklärung dafür, dass die Homophobie so breite Akzeptanz findet: Die moralische Bedeutung, die in vielen afrikanischen Gesellschaften dem Kinderkriegen beigemessen werde, betone den heterosexuellen Geschlechtsverkehr als Mittel, dies zu erreichen.

In manchen afrikanischen Ländern hetzen Evangelikale gegen sexuelle Minderheiten

Im muslimischen Senegal kam es noch bis vor einigen Jahrzehnten nicht selten vor, dass sich Senegalesen weder als Mann noch als Frau identifizierten, sondern als "Góor-jigéen", was in der lokalen Sprache Wolof "Mann-Frau" bedeutet. Heute ist Góor-jigéen zu einem Schimpfwort geworden. Und in den Straßen demonstrieren radikale Muslime immer wieder gegen Homosexuelle, fordern auf Transparenten ihren Tod. In anderen Ländern hetzen evangelikale Freikirchen gegen sexuelle Minderheiten, nicht selten mit Unterstützung aus den USA.

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In vielen Ländern wird über eine Verschärfung der Gesetze diskutiert. Zwar sind Strafen oft eher die Ausnahme, ohne einen gesetzlich festgeschriebenen Schutz entsteht aber ein gesellschaftliches Klima, das Gewalt gegen Schwule toleriert. Im Januar etwa wurde der 25-jährige Kenianer Edwin Chiloba tot in einem Kofferraum gefunden, er hatte als Designer und Model gearbeitet, war schwul und stolz darauf. Sein Tod hat wenig geändert am gesellschaftlichen Klima, weder in Kenia noch anderswo auf dem Kontinent.

Nur wenige Länder setzen sich für die Rechte von LGBTQ-Personen ein, Botswana und Angola haben in den vergangenen Jahren entsprechende Gesetze erlassen. Als wirklich sicher und tolerant gilt aber eigentlich nur Südafrika - allerdings auch hier nur die Großstädte Johannesburg, Durban und Kapstadt. Ansonsten ist die Realität auch am Kap eine bittere: Nach Angaben von Human Rights Watch kamen im Jahr 2021 24 LGBT-Personen bei "vorurteilsmotivierten" Angriffen ums Leben.

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