Migration:Auch Afghanen sollen nun Sprachkurse erhalten

Migration: SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil will die Bildung von Mitarbeitergremien nun übers Strafrecht erleichtern.

SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil will die Bildung von Mitarbeitergremien nun übers Strafrecht erleichtern.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/picture alliance/dpa)

Afghanische Flüchtlinge werden kaum noch abgeschoben. Trotzdem sind sie von Deutschkursen meist ausgeschlossen. Arbeitsminister Hubertus Heil will das ändern.

Von Nina von Hardenberg

Ganze 700 Unterrichtsstunden dauert der Integrationskurs, den Deutschland geflüchteten Menschen anbietet. 100 Stunden lang sollen sie Geschichte, Recht und deutsche Kultur büffeln, 600 Stunden Deutsch lernen. Ziel ist das Sprachniveau B1, bei dem Menschen Gesprächen über ihnen vertraute Themen gut folgen und über eigene Interessen und Pläne sprechen können. Das Problem: Bezahlt wird dieser Kurs nur Flüchtlingen aus Ländern mit sogenannter guter Bleibeperspektive, zuletzt etwa Eritrea und Syrien. Afghanistan gehörte nicht dazu. Bis vor Kurzem wurden schließlich noch Menschen dorthin abgeschoben.

Die Machtergreifung der Taliban hat die Lage der Afghanen in Deutschland nun entscheidend verändert. Abschiebungen in ein Land, in dem weder den Machthabern zu trauen ist noch der Flughafen funktioniert, wird es in nächster Zeit kaum geben. An der offiziellen Beurteilung der Bleibeperspektive hat das allerdings bislang nichts geändert. Sowohl die schon länger in Deutschland lebenden afghanischen Flüchtlinge als auch viele der zuletzt Geretteten bleiben damit von den Kursen ausgeschlossen. Man warte auf eine neue Lageeinschätzung aus dem Auswärtigen Amt heißt es zur Begründung aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das die Integrationskurse verantwortet. Auch neue Asylanträge aus Afghanistan würden deshalb derzeit nicht bearbeitet. Sie seien "rückpriorisiert".

Auf solche formalen Begründungen will zumindest das Bundesarbeitsministerium nun nicht länger warten. Arbeitsminister Hubertus Heil beschloss am Donnerstag im Alleingang, alle in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) fallenden Integrationsmaßnahmen für Asylbewerber aus Afghanistan zu öffnen. Voraussichtlich von Dezember 2021 an könnten afghanische Asylbewerber dann etwa an den vom Bamf finanzierten Berufssprachkursen sowie an Bewerbungs- und Motivationstrainings teilnehmen.

Das Arbeitsministerium stellt sich damit gegen das Bundesinnenministerium, dass sich bislang mit einer offiziellen Neubewertung zurückgehalten hat. "Eine entsprechende einvernehmliche Regelung konnte bislang mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat nicht getroffen werden", bestätigte das BMAS der Süddeutschen Zeitung. Innenminister Horst Seehofer hat zwar Mitte Augst alle Abschiebungen nach Afghanistan "ausgesetzt". Einen offiziellen Abschiebestopp aber erließ er noch nicht.

Rückkehr auf absehbare Zeit nicht möglich

Um das Offensichtliche zu bestätigen - dass Abschiebeflüge aus Deutschland auf absehbare Zeit nicht in Kabul landen werden -, wartet man auch dort auf den offiziellen Lagebericht Afghanistan des Auswärtigen Amtes. Der derzeit noch gültige Lagebericht stammt von Mitte Juli 2021, also vor der Machtergreifung der Taliban, und schätzte die Sicherheitslage nach Ansicht von Kritikern schon damals als zu positiv ein. Er wird im Auswärtigen Amt seit Wochen überarbeitet. Derzeit fänden noch letzte Abstimmungen statt, hört man aus dem Amt.

Eine Rückkehr nach Afghanistan sei für die meisten Asylbewerber auf absehbare Zeit nicht möglich, heißt es dagegen aus dem BMAS. Umso mehr will man die Ankommenden nun in Arbeit und Gesellschaft integrieren. Ausreichende Sprachkenntnisse seien dafür eine wesentliche Voraussetzung. "In Antizipation der tatsächlichen Gegebenheiten" halte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine möglichst frühzeitige Öffnung insbesondere des Sprachkurszugangs für notwendig.

Vor allem bei der schnellen Integration der aus Afghanistan geretteten Ortskräfte ist Deutschland gefordert. All jene afghanischen Helfer, die auf den von den Ministerien erstellten Ortskraft-Listen standen, erhielten in Deutschland direkt einen humanitären Aufenthaltstitel und dürfen sofort arbeiten. Jene, die es in dem Chaos der Rettungsaktion zwar ins Flugzeug, nicht aber auf eine offizielle Liste geschafft haben, müssen hier zunächst ein Asylverfahren anstreben. Sie würden von den von Heil angekündigten Erleichterungen profitieren.

Schwieriger dürfte die Integration der etwa 30 000 eigentlich ausreisepflichtigen Afghanen in Deutschland fallen. Viele von ihnen kamen bereits in der großen Fluchtwelle 2015/2016 nach Deutschland. Sie bekamen wegen der damals als schlecht bewerteten Bleibeperspektive kaum Sprachkurse. Immer wieder wurden sie mit Arbeitsverboten belegt und damit zur Untätigkeit gezwungen.

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