AfD in Sachsen-Anhalt:"Damit niemand sagen kann, er hätte es nicht gewusst"

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Der von Martin Reichardt geführte AfD-Landesverband strebe die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie an, schreibt der Verfassungsschutz. (Foto: Peter Gercke/dpa)

Der Verfassungsschutz stuft die AfD in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextremistisch ein - das hat Konsequenzen.

Von Iris Mayer, Leipzig

Nach der AfD in Thüringen stuft der Verfassungsschutz nun auch den Landesverband in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextremistisch ein. Der Leiter des Verfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt, Jochen Hollmann, teilte am Dienstag in Magdeburg mit, seine Behörde habe dafür zahlreiche muslimfeindliche, rassistische und antisemitische Aussagen von Funktions- und Mandatsträgern ausgewertet. "Das Ergebnis ist eindeutig: Der Landesverband vertritt nicht nur weiterhin verfassungsfeindliche Positionen, die zur Einstufung als Verdachtsfall geführt hatten, sondern hat sich vielmehr seit der Corona-Pandemie derart radikalisiert, dass eine systematische Beobachtung unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gerechtfertigt ist."

2021 hatte der Landesverfassungsschutz die Partei bereits als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Im Magdeburger Landtag ist die AfD die größte Oppositionsfraktion, bei der letzten Landtagswahl 2021 kam sie auf 20,8 Prozent. Die sachsen-anhaltische AfD ist nun der zweite als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Landesverband. In Thüringen hatte der Landesverfassungsschutz die AfD mit ihrem umstrittenen Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke schon im März 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als Ganzes eine Ebene darunter eingeordnet, als rechtsextremistischen Verdachtsfall.

Dämonisierende Wortwahl, antisemitische Codes

Angesichts der Vielzahl von Aussagen, die die Bestrebungen der AfD in Sachsen-Anhalt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung belegen, sei die Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums gesetzlich zu dieser Einschätzung verpflichtet, erklärte Hollmann. "Indem wir die Entscheidung öffentlich bekannt geben, kommen wir unserem ebenfalls gesetzlich definierten Informationsauftrag als Frühwarnsystem der Demokratie nach." Man warne die Öffentlichkeit vor verfassungsfeindlichen Bestrebungen, "damit niemand sagen kann, er hätte es nicht gewusst".

Besonders relevant für die Einschätzung seien Äußerungen gewesen, die mit der Wahrung der Menschenwürde nach Artikel 1 Grundgesetz unvereinbar seien. Die AfD Sachsen-Anhalt strebe ein ethnokulturell homogenes Staatsvolk an und fordere die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Religion. Führende Vertreter bedienten sich einer dämonisierenden Wortwahl, indem sie zum Beispiel Migranten als "Invasoren", "Eindringlinge" oder "kulturfremde Versorgungsmigranten" diffamierten.

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Die gesammelten Aussagen stammen aus den Jahren 2021 und 2022. Außerdem strebe die Partei die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie in ihrer derzeitigen Form an. Sie sei fortwährend bestrebt, demokratische Institutionen und ihre Vertreter verächtlich zu machen, um das Vertrauen der Bevölkerung zu zerstören.

Der Verfassungsschutz kann seine Erkenntnisse jetzt öffentlich machen

Vor allem während der Corona-Pandemie hätten Funktions- und Mandatsträger des AfD-Landesverbandes die Bundesrepublik Deutschland immer wieder mit autokratischen oder totalitären Regimen und die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung mit der Judenverfolgung im "Dritten Reich" gleichgesetzt. Dabei sei auch antisemitisch geprägtes Vokabular eingesetzt worden wie der Verschwörungsmythos des "Great Reset", wonach eine globale Elite die Pandemie instrumentalisiert oder geplant habe, um eine von ihr gesteuerte neue Weltordnung zu errichten.

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Die Fraktionschefin der Linken, Eva von Angern, lobte die Einstufung als richtig, "wenn auch längst überfällig". "Überall in Sachsen-Anhalt erleben wir regelmäßig, wie diese Partei Grund- und Menschenrechte mit Füßen tritt." Der Verfassungsschutz kann seine Erkenntnisse über die AfD in Sachsen-Anhalt nun ab sofort im Verfassungsschutzbericht öffentlich machen, dort tauchte die Partei bislang nicht auf. Außerdem haben die Verfassungsschützer mehr Ermessensspielraum bei der Wahl der nachrichtendienstlichen Mittel. Ob AfD-Mitglieder Beamte werden oder eine Waffenlizenz erwerben können, muss weiter im Einzelfall geprüft werden.

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