AfD:Weidel und Chrupalla - die neue Fraktionsspitze

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Ärger mit den Mitarbeitern: die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel, l., und Tino Chrupalla. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die AfD im Bundestag hat sich mit Streit und heftigen Debatten formiert. Gleich zum Start wird ein Abgeordneter wegen NS-Äußerungen ausgeschlossen.

Von Markus Balser, Berlin

Dass dies kein normaler Auftakt der AfD-Fraktion zu vier weiteren Jahren Bundestagsarbeit war, machte Fraktionschefin Alice Weidel wohl eher unabsichtlich klar. Am Mittwoch hatte sie sich hinter verschlossenen Türen eine Stunde Streit und Debatten der 83-köpfigen neuen Truppe in ihrer konstituierenden Sitzung angehört. Dann reichte es der 42-Jährigen. Als sie kurz den Saal verließ, platzte der Ärger heraus. "Was ist das hier für ein Laden?", schimpfte Weidel.

Mit dieser Frage ist sie in der Fraktion nicht allein. Die ersten Zusammenkünfte am Mittwoch und Donnerstag ließen nichts Gutes für den AfD-Auftritt in dieser Legislatur vermuten, hieß es am Donnerstag aus verschiedenen Teilen der AfD. Dabei geht es von Anfang an um viel, denn in der Fraktion wachsen nach dem schwachen Wahlergebnis die Sorgen um die eigene Rolle im Parlament. Sollte die Union in die Opposition gehen, fürchtet man in der AfD einen Verlust an Aufmerksamkeit für die eigenen Themen. Die Union mit ihrer viel größeren Fraktion könne der AfD das Wasser abgraben.

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Erst nach langer Verzögerung bestimmte die Fraktion am Donnerstagabend ihre neue Führung. Zur Doppelspitze wurden Tino Chrupalla und Alice Weidel gewählt. Allerdings kamen auf 50 Ja- immerhin auch 25 Nein-Stimmen für das neue Tandem. Der Sachse Chrupalla folgt damit auf Alexander Gauland, der die Fraktion bislang mit Weidel geführt hatte. Gauland kandidierte nicht mehr für den Posten und wurde zum Ehrenvorsitzenden der Faktion gewählt - allerdings ebenfalls erst nach kontroverser Debatte. Die AfD habe eben "diskussionsfreudige Mitglieder", sagte Weidel nach den Wahlen. Sein Ziel sei es, dass die AfD bis 2025 "koalitionsfähig" sei, sagte Chrupalla.

Welchen Kurs die neue Fraktionsspitze nun einschlagen soll, ist intern indes höchst umstritten. Bereits am Montag war der Machtkampf auf offener Bühne zwischen Parteichef Meuthen auf der einen, sowie dessen Co-Parteichef Chrupalla und Weidel auf der anderen Seite bei einer Pressekonferenz eskaliert. Während Meuthen die AfD in eine bürgerlichere Zukunft führen will, stehen Weidel und Chrupalla für einen rechteren Kurs.

Großen Ärger ausgelöst hatte in der Fraktion, dass der Neuparlamentarier Matthias Helferich trotz äußerst umstrittener Äußerungen mit NS-Bezug in früheren Chats in die Fraktion aufgenommen werden sollte. Noch im Wahlkampf hatte die Partei gegen den 33-Jährigen eine Ämtersperre verhängt. Helferich hatte sich etwa als "freundliches Gesicht des NS" bezeichnet. Er bestreitet seine Äußerungen nicht, stellt sie aber als Persiflage dar. Nachdem mehrere Abgeordnete sich gegen seine Aufnahme ausgesprochen hatten, kündigte er laut Teilnehmern in der Fraktion an, ihr zunächst nicht angehören zu wollen, sondern einen Gaststatus zu beantragen.

Der Riss ist tief: hier die Radikalen, dort die nicht ganz so Radikalen

Völlig offen ist bislang, wie die neue Fraktionsspitze die tiefen Risse in den eigenen Reihen kitten will. Beide Seiten fordern nach der enttäuschenden Wahl ein Umsteuern. Rechte Kräfte sehen sich wegen starker Ergebnisse in Ostdeutschland in einem radikaleren Kurs bestärkt und wollen diesen aufs ganze Land ausdehnen. Gemäßigtere Kräfte machen den Kurs dagegen für schwere Verluste im Westen verantwortlich. Sie wollen sich konsequenter von den Rechtsauslegern trennen.

Bei der Bundestagswahl hatte die AfD 10,3 Prozent der Stimmen bekommen - vor vier Jahren waren es 12,6 Prozent. Während die Partei in Sachsen und Thüringen mit radikaleren Thesen mit einem Viertel der Stimmen auf Landesebene die stärkste Kraft war, blieb sie im Westen fast überall unter zehn Prozent.

Mit einer mehrseitigen Wahlanalyse, die er in einem Telegram-Chat veröffentlichte, schaltete sich der Thüringer Landeschef Björn Höcke in die Aufarbeitung der Wahlschlappe ein. Eine gemäßigte AfD werde nicht erfolgreich sein, warnte der einstige Vordenker der rechtsextremen, inzwischen offiziell aufgelösten Parteiströmung "Flügel". "Wir zeigen in Thüringen, wie man die anderen Parteien vor sich hertreibt." Höcke kritisiert die Parteispitze dafür, den Ausbau alternativer Medien nicht stärker forciert zu haben und nannte US-Präsident Donald Trump als Vorbild. Dessen Erfolg "wäre ohne Fox-News nicht möglich gewesen." Den Verzicht auf dieses Instrument bezeichnete Höcke als "Führungsversagen".

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