AfD:Eine mildere Alternative zum Parteiverbot?

Lesezeit: 3 Min.

Selbst wenn man der AfD die Finanzierung entzöge - um ihre Diäten und die Fraktionsfinanzierung müssten sich Tino Chrupalla, Alice Weidel und ihre Abgeordneten keine Sorgen machen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Manche Politiker schlagen vor, anstatt die AfD zu verbieten, könnte man ihr auch einfach den Geldhahn zudrehen. Wie wäre das möglich? Und welche Konsequenzen hätte es?

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht setzt an diesem Dienstag einen Schlusspunkt hinter eine sehr alte Geschichte. 2003 war ein Parteiverbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD blamabel gescheitert, 2017 war dann der zweite Versuch halb erfolgreich. Die stark geschrumpfte Partei wurde als verfassungsfeindlich eingestuft und entkam einem Verbot nur wegen ihrer Irrelevanz. Nun, im Januar 2024, bleibt noch zu entscheiden, ob man Verfassungsfeinden die staatliche Parteienfinanzierung entziehen darf; bei der NPD geht es hier allein um Steuervergünstigungen, weil sie längst unterhalb der Schwelle zur regulären Parteienfinanzierung liegt.

Jedenfalls hat das Verfahren umgehend die Fantasie mehrerer Politiker beflügelt, die gerade angestrengt über den Umgang mit einer anderen, sehr viel jüngeren Partei nachdenken. Könnte man nicht auch der in Teilen rechtsextremen AfD das Staatsgeld entziehen?

Statt eines Verbots nur auf das Geld zu zielen, wäre juristisch nicht einfacher

Diesen Gedanken brachte etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in Spiel. Das Karlsruher Urteil könnte eine "Blaupause für die AfD" sein, wurde er zitiert. Nach dem Motto: Sollte man den Feinden der Freiheit zwar nicht die Freiheit entziehen, aber wenigstens das Geld? Als mildere Alternative zum Parteiverbot?

Tatsächlich steht die Möglichkeit des Ausschlusses von der Parteienfinanzierung seit 2017 im Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hatte im NPD-Urteil fast schon eine Einladung ausgesprochen, die Instrumente der wehrhaften Demokratie entsprechend zu erweitern. Der Gesetzgeber reagierte schnell und dankbar.

Allerdings macht die Genese dieser Reform eines deutlich: Mit Blick auf die AfD wäre vermutlich nichts gewonnen, wenn man statt eines Verbots nur auf das Geld zielte. Dass es juristisch wirklich einfacher wäre, der AfD die staatliche Finanzierung zu entziehen, anstatt gleich ihr Verbot zu beantragen, ist nicht zu erwarten, darauf deutet die damalige Gesetzesbegründung hin.

Das Prüfprogramm ist nahezu dasselbe wie beim Parteiverbot

Nach Artikel 21 Grundgesetz können Parteien verboten werden, die "darauf ausgehen", die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. Für den Ausschluss von der Finanzierung müssen sie "darauf ausgerichtet sein". Das ist ein winziger Formulierungsunterschied, mit dem das Gesetz allerdings einen "Gleichlauf zu den Anforderungen an das Parteiverbot" herstellen wolle, heißt es in der Begründung.

"Gleichlauf" bedeutet: Das Prüfprogramm ist nahezu dasselbe wie beim Parteiverbot: Der Partei muss eine verfassungsfeindliche Zielrichtung nachgewiesen werden sowie ein planvolles Handeln, um diese Ziele in die Tat umzusetzen. Die Hürden sind in diesem Punkt nicht wirklich niedriger als beim Verbotsverfahren. Dass die AfD die Menschenwürde von Migranten beeinträchtigen würde, falls sie an die Macht käme, dass sie die Demokratie zerstören oder den Rechtsstaat unterhöhlen will - all dies müsste in einem aufwendigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nachgewiesen werden. Es wäre dasselbe Karlsruher Schaulaufen der Verfassungsschützer und Extremismusforscher notwendig wie bei einem Verbotsverfahren.

Der einzige Unterschied zwischen Parteiverbot und Finanzierungsentzug liegt in dem juristischen Neuwort "Potenzialität": Laut Bundesverfassungsgericht kann eine Partei nur dann verboten werden, "wenn konkrete Anhaltspunkte von Gewicht vorliegen, die es zumindest möglich erscheinen lassen", dass ihr Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung erfolgreich sein kann. Wenn sie Menschenwürde und Demokratie nicht nur beschädigen will, sondern auch kann.

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Beim Winzling NPD, die sich nun "Die Heimat" nennt, könnte das Gericht kein solches Gefahrenpotenzial erkennen. Würde man hingegen bei der AfD die Diagnose "verfassungsfeindlich" stellen, wäre ihr Potenzial keine Frage: Eine deutlich zweistellige Partei, die in einzelnen Ländern schon die Drittelmarke zu knacken droht, kann düstere Pläne auch Wirklichkeit werden lassen, und sei es nur als parlamentarisch wirksamer Störenfried.

Ob es bei dieser Linie bleibt, wird man dem neuerlichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts entnehmen können. Politisch könnte der Weg über den Entzug der Finanzierung indes tatsächlich einfacher umzusetzen sein. Es mutet weniger martialisch an, wenn der Staat nicht das ganz scharfe Schwert eines Verbots zückt, sondern lediglich beim Geld ansetzt. Ganz aus dem Verkehr gezogen wäre die AfD damit freilich nicht. Anders als beim Parteiverbot dürften ihre Abgeordneten in den Parlamenten bleiben. Die Diäten und die Fraktionsfinanzierung würden weiterhin fließen, nur die staatliche Parteienfinanzierung und die Steuervergünstigungen wären weg.

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