Israels Premier Netanjahu in den USA:Selters zum Dinner, Gift zum Dessert

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Bei seinem Staatsbesuch in den USA gibt sich Benjamin Netanjahu alle Mühe, US-Präsident Barack Obama das Leben schwerzumachen. Doch diese Strategie ist gefährlich für Israels Premierminister. In einer Rede vor dem US-Kongress hat er an diesem Dienstag Gelegenheit, den harten Eindruck zu korrigieren.

Stefan Kornelius

Sechs Tage, ein langes Gespräch unter vier Augen und jede Menge Ärger: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu steht kurz vor dem Abschluss der wohl wichtigsten Auslandsreise in seiner jetzigen Amtszeit. Ob diese Reise ein Erfolg war? Noch hat er es selbst in der Hand, für ein wenig Befriedung zu sorgen. Denn nach fünf Tagen in der amerikanischen Hauptstadt und inmitten eines spektakulären Rede- und Deutungs-Duells mit dem amerikanischen Präsidenten muss in dem Premier vielleicht die Sorge aufkeimen, dass er zwar als gefeierter Held der Konservativen, aber als schlechter Staatsmann und Isolationist Washington verlassen könnte.

Miese Stimmung im Weißen Haus: US-Präsident Obama und Israels Premierminister Netanjahu reden im Oval Office. (Foto: REUTERS)

Bislang ist nur eines sicher: Netanjahu hinterlässt den Eindruck, dass er den US-Präsidenten vor sich her treiben möchte. Und er macht deutlich, dass er in die amerikanische Innenpolitik, in den aufkeimenden Wahlkampf eingreifen kann - auf Knopfdruck. Das mag ihm kurzfristig ein Triumphgefühl bescheren, aber selbst konservativen Wählern zu Hause in Israel könnte es mulmig werden bei dem Gedanken, dass der wichtigste Verbündete auf der Welt irritiert und der Präsident verprellt ist.

Am Dienstag um 11 Uhr Washingtoner Zeit wird Netanjahu die Gelegenheit haben, den harten Eindruck zu korrigieren. Dann steht der Premier vor den versammelten Häusern des amerikanischen Kongresses und spricht zu den Volksvertretern: Repräsentantenhaus und Senat vereint in einem Raum, die Luft dürfte vibrieren vor Spannung.

Netanjahu kann zunächst sicher sein, dass er mit rauschendem Applaus empfangen wird. Die Mehrheitsverhältnisse in den Kammern sind eindeutig, Amerikas konservative Abgeordnete unterstützen Netanjahu nahezu blind. Und viele Demokraten fürchten die Wirkung auf ihren eigenen Wahlkampf, den sie in zwei Jahren nicht gegen die Pro-Israel-Lobby führen möchten.

In der Dramaturgie des Premiers wird der Dienstag der krönende Abschluss einer Reise sein, die Obamas Handlungsspielraum in der Nahostpolitik einengen soll. Wenn im Herbst die UN-Vollversammlung über eine mögliche Staatlichkeit Palästinas abstimmt, dann soll, hofft er, Amerika stehen wie ein Fels in der Brandung. Mehr noch: Obama, so die Vorstellung aus Jerusalem, soll für die nötige Zahl von Verbündeten in Europa sorgen, die einem verhandlungsunwilligen Israel die Treue halten: Deutschland, Großbritannien, vielleicht gar Frankreich.

Deswegen zeigt sich Netanjahu entschlossen, entgegen aller Gepflogenheiten massiv die innenpolitische Klaviatur der USA zu bedienen - eigentlich ein Tabu bei internationalen Besuchen. Israels Premier hat also in nur sechs Tagen Washington im zentralen außenpolitischen Thema polarisiert: Wie hältst du es mit dem Frieden in Nahost - und wie kann ich das für den Wahlkampf 2012 ausschlachten?

Genussvoll ließ die israelische Seite durchsickern, wie der Premier den Präsidenten über zwei Stunden hinweg im Oval Office belehrt habe. Dann beging Netanjahu die ultimative Provokation und verstümmelte mutwillig Obamas Forderung nach einem Frieden in den Grenzen von 1967 um den Austausch von Landflächen. Alles Kalkül - oder hat Netanjahu den Bogen unabsichtlich überspannt?

Am Sonntagabend zeigte sich der Premier etwas moderater. Obama hatte sich gezwungen gesehen, wegen Netanjahus Auftritt vor dem Kongress bereits am vergangenen Mittwoch eine Nahost-Grundsatzrede zu halten. Dann trat Obama erneut am Sonntag auf - bei der pro-israelischen Lobbyorganisation Aipac. Tausende waren zur Jahrestagung der mächtigen Gruppierung nach Washington gekommen.

Netanjahu durfte sich auf einen Jubelabend während eines Gala-Diners am Montag freuen. Obama hingegen bekam Tags zuvor nur Selters. Da saß Netanjahu in der ersten Reihe, spendete wohlwollend Beifall und kommentierte anschließend die Rede in sanften Tönen. Obama verdiene Lob für seine vergangenen und gegenwärtigen Initiativen. Beide Wortakrobaten versuchten sich in wohlwollender Interpretation, doch die Beziehung ist vergiftet.

Netanjahu war mit der klaren Absicht nach Washington gereist, den US-Präsidenten auf eigenem Territorium herauszufordern. Am Abend des Dinners vom Montag hatte Obama die Stadt bereits in Richtung Europa verlassen, um dort bei den Verbündeten nicht zuletzt die Solidarität mit Washington in Sachen Israel auszutesten.

Noch ehe Netanjahu von der Parlaments-Kanzel herab Treueschwüre zugunsten Israels einfordern will, steht also für die Washingtoner Szene das Urteil fest: Der Besucher hat den Präsidenten vor sich hergetrieben, ohne selbst ein einziges Zugeständnis zu machen. Nur eines ist jetzt klar: Jeder weiß, wo die Fronten verlaufen.

© SZ vom 24.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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