SZ-Kolumne "Bester Dinge":Das mysteriöse Worträtsel aus dem 19. Jahrhundert

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In einer Geheimtasche in diesem tadellos erhaltenen Seidenkleid aus den 1880er-Jahren fand die Käuferin das mysteriöse Stück Papier. (Foto: Sara Rivers Cofield)

Vor zehn Jahren fand eine Archäologin in einem alten Kleid eine kryptische Botschaft. "Bismark omit leafage buck bank" - was könnte das heißen? Das Rätsel ist nun endlich gelöst.

Von Alexander Menden

Es gab mal Zeiten, in denen es richtig aufregend war, eine am Strand angespülte Flasche zu finden - zumindest, wenn darin ein Stück Papier steckte. War der Brief in einer solchen Flaschenpost nicht von eindringendem Wasser zerstört, konnte man dann Sachen lesen wie: "Ich bin Tobias, 9 Jahre alt. Ich wohne in Wilhelmshaven. Heute ist das Wetter schön. Viele Grüße!"

Wenn ein solch harmloser Fund schon die Endorphine in Gang bringt, kann man sich ausmalen, wie sich Sara Rivers Cofield 2013 fühlte: Die Archäologin aus Maryland hatte in einem Antiquitätengeschäft ein tadellos erhaltenes Seidenkleid aus den 1880er-Jahren erstanden, ein wunderbarer Neuzugang für ihre Sammlung historischer Kleider. Dann entdeckte sie in einer Geheimtasche auch noch ein Stück Papier, auf dem folgende Reihe scheinbar unzusammenhängender Wörter stand: "Bismark omit leafage buck bank. Calgary Cuba unguard confute duck fagan. Spring wilderness lining one reading novice." Ein wenig trockener - und geheimnisvoller - als die Nachricht von Tobias aus Wilhelmshaven.

Obwohl Cofield das "Seidenkleid-Kryptogramm", wie es bald genannt wurde, umgehend online veröffentlichte, dauerte es gut ein Jahrzehnt, bis jemand das Rätsel der Wortkaskade löste. Wayne Chan, ein Analyst an der Universität Manitoba in Kanada, ist Hobby-Codeknacker. Ein 1880 veröffentlichtes Buch mit dem Titel "Telegraphic Tales and Telegraphic History" brachte ihn jüngst auf die richtige Spur: Der Code wurde von der Fernmeldetruppe der US-Armee für Wettermeldungen verwendet. Der Zettel im Seidenkleid war mit Wetterbeobachtungen aus dem Jahr 1888 beschriftet, und zwar von unterschiedlichen Orten in Kanada und den USA - einschließlich Niederschlag, Temperatur und Windrichtung.

Und es war eigentlich auch nichts Geheimes daran, der Code war schlicht eine Sparmaßnahme, denn telegrafierte Nachrichten wurden desto teurer, je mehr Wörter man verwendete. Da wäre es vielleicht günstiger gewesen, gleich zu schreiben: "Das Wetter ist schön!"

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