Die Tiere trifft es noch härter als die Menschen, "für sie ist das Szenario wie ein Atomkrieg", sagt der Biologe Manuel Nogales, der seit 40 Jahren die Fauna und Flora auf den kanarischen Inseln erforscht. Durch den Vulkanausbruch auf La Palma seien die Tiere "sehr verängstigt, die gesamte Fauna hat ihr Verhalten geändert", zitiert ihn die spanische Zeitung El País. Wenn die Tiere denn überhaupt noch am Leben sind. Eidechsen seien praktisch keine mehr zu finden in der Gegend rund um den Vulkan, "und wenn die Eidechsen weg sind, ist das gesamte Ökosystem betroffen".
Aber nicht nur Wildtiere litten, sondern auch Nutztiere, die von ihren Besitzerinnen und Besitzern zurückgelassen wurden. "Sie fressen Pflanzen voller Asche." Er habe auch Kampfhähne gesehen, deren Haltung eigentlich verboten sei. "Sie sind sich selbst überlassen und haben begonnen, aufeinander loszugehen." Und die Fischer beklagten sich, dass sie nahezu nichts mehr fingen.
Hochexplosive Phase
Nach Einschätzung von Vulkanologen ist der Ausbruch in eine neue Phase eingetreten, die als hochexplosiv gilt. Der Vulkan auf dem Gebiet der Kette Cumbre Vieja, der keinen offiziellen Namen hat, stieß auch am Wochenende große Mengen an Asche, Rauch, Lava und Gesteinsbrocken aus, die auch weiter flogen als zuvor. Am Freitagnachmittag zeichneten die Messstationen laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters die heftigste Aktivität seit Beginn des Ausbruchs auf, es tat sich ein weiterer Schlot auf, aus dem Lava austrat. Feuerwehrleute und andere Helfer mussten sich zurückziehen. Drei weitere kleine Ortschaften mit mehreren Hundert Einwohnern wurden vorsichtshalber evakuiert.
Wegen großer Mengen Vulkanasche auf der Landebahn und dem Vorfeld wurde der Flughafen von La Palma gesperrt, insgesamt soll eine Fläche von 250 000 Quadratmetern (etwa 35 Fußballfelder) betroffen sein. "Die Reinigungsarbeiten sind komplex", sagte Mario Otero, der Direktor der Flughäfen auf den kanarischen Inseln, zu El País. Das Rollfeld müsste komplett frei von Asche sein, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten - fast unmöglich, solange es immer wieder Asche regnet. Örtliche Medien berichten von teils chaotischen Zuständen, Reisende, deren Flüge gestrichen wurden, versuchten, auf Fähren zu gelangen oder Unterkünfte zu finden. Kurzzeitig wurden auch die Nachbarinseln Teneriffa und La Gomera nicht angeflogen, die Flüge wurden jedoch bereits am Samstag wieder aufgenommen, wie die Fluggesellschaft Binter auf Twitter mitteilte.
Ende vergangener Woche hatten sogar Hoteliers an Touristen appelliert, nicht mehr anzureisen. "Es ist jetzt nicht der richtige Moment für Tourismus in La Palma", sagte der Chef einer Hotelkette zu El País, "es ist Zeit, zu helfen." Die Schaulustigen, die oft mit Kamera-Equipment anreisten, blockierten Betten, die für Rettungskräfte oder als Notlager für Einheimische gebraucht würden.
Am Samstag flaute die Vulkantätigkeit wieder etwas ab. Seit dem Beginn des Ausbruchs am Sonntag vor einer Woche wurden etwa 6000 Menschen in Sicherheit gebracht. Die Lava begrub 210 Hektar (294 Fußballfelder) Fläche unter sich und zerstörte 570 Häuser, weitere 1600 Gebäude sind bedroht. "Alles, was ich noch besitze, ist in dieser Tasche", sagte die 46-jährige María Lorena Brito Rodríguez der Zeitung El Mundo. Auch ihr Haus unterhalb des Vulkans wurde von der Lava zerstört.
Die Fließgeschwindigkeit der Lava hat sich mittlerweile etwas verlangsamt, was den Menschen mehr Zeit verschafft, sich in Sicherheit zu bringen. Die bis zu 15 Meter dicke Lavamasse wird Monate brauchen, um abzukühlen. Noch ist nicht klar, ob der glühende Brei das Meer erreichen wird. Dann könnte es zu einer gefährlichen chemischen Reaktion kommen. Rund um die Stelle, an der die Lava ins Meer fließen könnte, wurde eine Sperrzone eingerichtet. Die Regionalregierung schätzt die Schäden auf der Insel mit 83 000 Einwohnern auf mindestens 400 Millionen Euro. Die Hilfsbereitschaft ist derweil enorm. Es gebe derart viele Sachspenden, dass sie kaum noch gelagert werden könnten, berichtete der Sender RTVE.
Tote oder Schwerverletzte gab es bisher nicht. Vulkanologen wagen keine Prognose, wie lange der Ausbruch noch dauern wird.