"Snooze-Button":Geh mir nicht auf den Wecker

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Benjamin Franklin behauptete einst, Frühaufsteher lebten "reicher" und "weiser". Eine Weisheit, mit der Nachtmenschen nicht viel anfangen können. (Foto: Daxenbichler/Imago/Yay Images)

Mit der Erfindung der sogenannten Schlummertaste vor 110 Jahren verschärfte sich in Schlafzimmern der Konflikt zwischen Morgen- und Nachtmenschen

Von Martin Zips

"Die Zeit geht hin, und der Mensch gewahrt es nicht", heißt es bei Dante - und natürlich denkt man dabei sofort an jene Sorte Mensch, welche sich morgens zunächst einmal wecken lässt, dann noch einmal, vielleicht noch einmal - und erst dann steht sie auf.

Ermöglicht wird dieses rätselhafte Verhalten durch die sogenannte Wecker-Schlummertaste - eine Schweizer Erfindung. Robert Türck muss es im Jahr 1913 schlicht leid gewesen sein, dass ihm das Aufstehen immer so schwerfiel. Also meldete er im April in Zürich ein Patent an, welches bei mobilen Weckern einen Mechanismus vorsah, der "nach einer erstmaligen Ausstellung des Läutwerks eine Wiederholungsauslösung mit dem Gehwerk in eine Verbindung bringt". Die Schlummertaste war geboren, welche sich als Snooze-Button mittlerweile in was auch immer auf dem Nachttisch findet.

Nun kann die Menschheit, wie kürzlich wieder in einer US-Langzeitstudie belegt wurde, über welche der New Yorker berichtete, grob gesagt in zwei Typen eingeteilt werden: Morgen- und Nachtmenschen. Morgenmenschen reicht ein einziges Wecksignal zum Aufstehen. Bei ihnen stimmt die gefühlte Zeit mit der Tageszeit weitgehend überein. Anders: Nachtmenschen, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung laut Forschern der Universität Georgetown auf etwa 40 Prozent geschätzt wird. Nachtmenschen stehen deutlich schwerer auf, da sie zwischen ihrer inneren Uhr und dem Rhythmus der Natur permanent hin- und hergerissen sind.

Leider kommt es auch in Deutschlands Schlafzimmern immer wieder vor, dass Nacht- auf Morgenmenschen treffen. Dadurch kam es bereits zu Konflikten, als die Schweizer Schlummertaste noch gar nicht erfunden worden war (Uhren mit einfacher Weckfunktion werden bereits in Dantes "Göttlicher Komödie" aus dem Jahr 1320 erwähnt).

Die Snooze-Funktion verschärft den Streit noch: Während der Morgenmensch nämlich schon beim ersten Wecksignal unverzüglich aus den Federn springt, wartet der Nachtmensch noch auf die ein oder andere Wiederholungsauslösung.

Der Morgenmensch kann sich hier auf Benjamin Franklin berufen, welcher einst behauptete, Frühaufsteher lebten "reicher" und "weiser". Auch Aristoteles sah in der frühen Bettflucht eine "gesunde Angewohnheit". Jedoch muss man auch verstehen, dass sich Nachtmenschen durch Sprüche wie "Der frühe Vogel fängt den Wurm" oder "Morgenstund hat Gold im Mund" nicht nur missverstanden, sondern womöglich gar provoziert fühlen. Ja, im Englischen existiert der Ausdruck "You snooze, you lose" und vor ein paar Jahren wurde, bei einem Wettbewerb am Massachusetts Institute of Technology, ausgerechnet ein Wecker prämiert, welcher sich nach dem Drücken der Schlummertaste unter das Bett rollte und so den Schlafenden brutal in die Vertikale zwang.

Für das friedliche Zusammenleben im Doppelbett (welches laut Balzac das "Barometer" jeder Ehe darstellt) bieten solche Ansätze freilich keine Lösung. Hier gilt es, einen guten täglichen Kompromiss zu finden - zwischen dem sofortigen Aufziehen des Rollladens und dem wirklich nervtötenden Schweizer Dauergebimmel.

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