Vogel des Jahres:Ausgeturtelt

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Schutzbedürftiges Symbol der Liebe: die Turteltaube. (Foto: Michael Wimbauer/dpa)

Die Turteltaube ist ein Symbol für die Liebe. Dass sie jetzt zum "Vogel des Jahres 2020" gewählt wurde, hat aber mit dem Gegenteil zu tun.

Von Violetta Simon

Seit jeher gilt die Turteltaube als Symbol des Verliebtseins und der Fruchtbarkeit. Ihren Namen verdankt sie der Angewohnheit, sich mit einem anhaltenden "Turr, Turr" aus dem winterlichen Urlaubsquartier zurückzumelden. Es sind die Männchen, die in der Regel vor den Weibchen im Brutgebiet eintreffen und gurrend ihr Revier markieren.

In Bezug auf den Menschen fällt der Name dieser Taube, die vorwiegend zu zweit in Erscheinung tritt, immer dann, wenn sich scheinbar eine Beziehung anbahnt. So hieß es etwa, als Harry und Meghan sich bei ihrem ersten öffentlichen Event gemeinsam blicken ließen: "die zwei Turteltauben" seien nun endlich zusammen gesichtet worden.

Zweifellos repräsentiert die Turteltaube - im Gegensatz zur Stadttaube, die als "Ratte der Lüfte" bezeichnet wird - ausschließlich das Gute und Schöne: Treue, Zuneigung, Zärtlichkeit. Doch wenn es so weitergeht, hat es sich schon bald ausgeturtelt: "Seit 1980 haben wir fast 90 Prozent dieser Art verloren, ganze Landstriche sind turteltaubenfrei", sagt Heinz Kowalski vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). 22 000 Paare gebe es noch in Deutschland.

Der NABU hat die Turteltaube deshalb zum "Vogel des Jahres 2020" gewählt und damit zum ersten Mal einen Vogel gekürt, der als global gefährdete Art auf der Roten Liste steht - obwohl doch diese Taube jedem Vogel ein Vorbild sein könnte.

Auf Tauben schießen - zum Vergnügen

Sie krakeelt aus Afrika in ihr Brutgebiet zurückkommend nicht laut "meins!" wie die Möwen, sondern gurrt taktvoll, um ihren Anspruch zu signalisieren. Sie frisst niemandem etwas weg und ernährt sich vorbildlich, nämlich ausschließlich vegan: von Wildkräuter- und Baumsamen. Und anders als ihre urbanen Artgenossen kackt sie niemandem auf den Kopf oder den Balkon.

Überhaupt beansprucht die Turteltaube, die mit 160 Gramm Körpergewicht deutlich zierlicher ist als ihre Verwandte aus der Stadt, kaum Platz. Und trotzdem schwindet ihr Lebensraum zusehends. Und ihre Nahrung wird mit Chemie und Unkrautvernichtungsmitteln vergiftet.

Es ist der Mensch, der ihr zusetzt. Der Mensch mit seinem zwiegespaltenen Verhältnis zur Taube. Während Papst Benedikt auf dem Petersplatz ab und zu medienwirksam eine Friedenstaube Richtung Himmel schickt, schießt der Mensch außerhalb der italienischen Hauptstadt - genau wie in Frankreich und Spanien - mit Blei auf Turteltauben. Zum Vergnügen. Weil das im Mittelmeerraum als Sport gilt.

Die Welt, sie ist ungerecht, besonders zu Turteltauben. Das war schon bei "Romeo und Julia" der Fall, zwei Turteltäubchen par excellence, mit denen es auch übel endete. Und das, obwohl - wie Julia wusste - "leichtbeschwingte Tauben der Liebe Wagen" ziehen. Verbrochen hat dieses Ende übrigens wiederum ein Mensch. Er hieß: Shakespeare.

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