Thailand:Kiffen gegen die Krise

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Ist das auch eine Form von Green Economy? Der thailändische Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul verschenkt Cannabis-Pflanzen für eine blühende Wirtschaft. (Foto: Sakchai Lalit/AP)

Thailands Regierung, bislang bekannt für eine äußerst rigide Drogenpolitik, verschenkt eine Million Cannabis-Pflanzen an die Bürgerinnen und Bürger. Was steckt dahinter?

Von David Pfeifer

Einer der größten Irrtümer, dem man bei einem Thailand-Besuch aufsitzen kann, ist, die große Freundlichkeit der Menschen mit Liberalität zu verwechseln. Die allermeisten Menschen, die schon einmal eine "Full Moon Party" besucht haben, bringen verschwommene, aber schöne Erinnerungen daran mit. Wer aber beim Kiffen erwischt wurde, der lernte bislang die thailändische Polizei und Justiz kennen. Und die sind gar nicht freundlich.

Umso erstaunlicher also, dass Anutin Charnvirakul, Thailands Minister für öffentliche Gesundheit, vor ein paar Tagen bekannt gab, dass die Regierung eine Million Cannabis-Pflanzen an Privathaushalte verschenken will, um das Hanfgewächs als Haushaltspflanze zu etablieren. Am 9. Juni tritt eine neue Regelung in Kraft, die es Privatpersonen erlaubt, die Pflanzen anzubauen, wenn sie vorher die zuständige Gemeindeverwaltung darüber informiert haben.

Das Gesundheitsministerium will das Cannabis allerdings nicht für Kiffer anbauen lassen, sondern "ausschließlich in medizinischer Qualität und zu medizinischen Zwecken". Die ersten Versuche gab es bereits im vergangenen Jahr, da lud die Regierung eine Journalistengruppe zu einem Ausflug auf eine Melonenfarm ein, die auf Cannabis umgerüstet wurde. Titel der Veranstaltung: "Medizinisches Cannabis: Möglichkeiten für Thailands Wirtschaft".

Diese Farm in der Provinz Nakhon Ratchasima war eine der ersten, die eine staatliche Genehmigung für Anbau und Verkauf von Cannabis an medizinische Einrichtungen erhalten hat. (Foto: Lauren DeCicca/Getty Images)

Wer sich noch an den Film "The Beach" erinnert: Darin sind die Bösen die Hanfbauern, über deren Insel die Touristen trampeln, wenn sie den geheimen Strand erreichen wollen. Das geht übel aus für die Touristen, denn für die Hanfbauern ist eben jene Insel, auf der die Fremden das Paradies gefunden haben, die einzige Chance, ihr Überleben zu sichern. Der Film ist mehr als 20 Jahre alt, das merkt man auch daran, dass die Droge, die Thailand, so wie viele andere südostasiatische Länder, beschäftigt, nicht mehr aus der Cannabis-Pflanze gewonnen, sondern zusammengekocht wird - so wie in "Breaking Bad". Methamphetamin, im Westen Crystal Meth genannt, in Thailand und Nachbarländern als Ice bekannt, ist ein großes Problem in der Region. Auch deswegen war Thailand 2018 das erste Land, das Cannabis für die medizinische Forschung und Verwendung legalisierte.

Die Pflanzenschenkung soll also nicht den Privatkonsum ankurbeln, sondern ist Teil von Thailands Plan, Cannabis als Nutzpflanze zu fördern - zum Wohle der Volkswirtschaft. Nach Angaben der Weltbank ist etwa ein Drittel der Arbeitskräfte des Landes in der Landwirtschaft tätig, aber auch Kosmetikfirmen, Nahrungs- und Getränkekonzerne haben sich des Themas angenommen, nachdem die Verarbeitung von CBD, der nichtberauschenden Substanz, die aus der Cannabis-Pflanze gewonnen wird, zur kommerziellen Verwendung zugelassen wurde. Nun bekommt man an Essständen und in Supermärkten in Bangkok Hanflimonade, CBD-Glasnudeln und Kekse, die zu ruhigerem Schlaf verhelfen sollen.

Gute-Nacht-Kekse: In thailändischen Supermärkten finden sich diverse Hanfprodukte mit angeblich medizinischer Wirkung. (Foto: Lauren DeCicca/Getty Images)

Gesundheitsminister Charnvirakul wies in einem Facebook-Post nach der Bekanntgabe der Pflanzenverschenkung darauf hin, dass die Freigabe den Menschen in Thailand und der Regierung ermöglichen könnte, "mehr als zehn Milliarden Baht pro Jahr an Einnahmen aus Marihuana und Hanf zu erzielen". Das wären etwa 280 Millionen Euro. Kitty Chopaka, eine in Bangkok ansässige Cannabis-Unternehmerin, sagte dem Nachrichtensender CNN, man müsse "ein Patient mit irgendeiner Form von Krankheit sein, erst dann kann man Cannabis zu Hause anbauen und es nach Belieben verwenden". Doch sie fügte hinzu: "Es wird passieren, dass die Leute Gras rauchen, es gibt keine Möglichkeit, das zu verhindern."

Es kann also schon sein, dass auch der Tourismus ein bisschen davon profitieren soll, nachdem die Besucherzahl während der Pandemie von 40 Millionen Besuchern pro Saison auf einige Hunderttausend eingebrochen ist. Die ersten "Full Moon Parties" wurden gerade erst wieder veranstaltet.

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