Nordrhein-Westfalen:Ermittlungen zur Explosion in Ratingen: Gezielte Attacke mit brennbarer Flüssigkeit

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Einsatzkräfte versuchten am Donnerstag, das Feuer in dem Hochhaus in Ratingen zu löschen. (Foto: Tim Oelbermann/Imago)

Die Polizei hat ein weiteres Todesopfer im Haus gefunden und spricht von acht lebensgefährlich verletzten Einsatzkräften. Fünf von ihnen sollen in ein künstliches Koma versetzt worden sein. Gegen den mutmaßlichen Täter wurde Haftbefehl erlassen.

Von Ann-Marlen Hoolt

Die Explosion in einem Ratinger Hochhaus gibt weiterhin Rätsel auf. Inzwischen wurde Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Täter erlassen, wegen versuchten Mordes in neun Fällen. Die Tat sei heimtückisch gewesen und mit gemeingefährlichen Mitteln verübt worden, teilte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf am Freitag mit.

Polizei und Staatsanwaltschaft haben bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitagnachmittag den aktuellen Stand der Ermittlungen zusammengefasst. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich bei dem Vorfall am Donnerstag um eine gezielte Attacke auf die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr gehandelt hat. Der mutmaßliche Täter sei dabei äußerst brutal vorgegangen. Außerdem wurde in einer anderen Wohnung des Hochhauses noch eine weitere Leiche gefunden.

Polizei und Staatsanwaltschaft betonen, dass zunächst alles wie ein Routineeinsatz gewirkt habe. Wegen des überquellenden Briefkastens einer Bewohnerin des Hochhauses gab es Sorgen, der Frau könne etwas zugestoßen sein. Als Polizei und Feuerwehr dann vor ihrer Wohnungstür standen, sei diese von ihrem 57-jährigen Sohn plötzlich aufgerissen worden. Er habe den Einsatzkräften eine "brennbare Flüssigkeit" entgegengekippt, die sich sofort entzündet habe. Danach soll der Mann auch sich selbst mit dieser Flüssigkeit übergossen haben und begonnen haben, seine Wohnung in Brand zu setzen. Trotzdem sei der Täter dabei nur leicht verletzt worden, sagte Dietmar Henning von der Polizei Düsseldorf am Freitag. Etliche Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr erlitten starke Verbrennungen, einige an 40 Prozent ihres Körpers, gibt die Feuerwehr Ratingen bekannt.

Mutmaßlicher Täter befindet sich in Haft

Der Mann, der mit seiner Mutter in einer Wohnung gelebt haben soll, wurde nach der Explosion festgenommen. Bereits am Freitag wurde der Täter einem Haftrichter vorgeführt. Auch ein psychiatrischer Sachverständiger soll beauftragt worden sein, sagte die zuständige Staatsanwältin.

Später fand die Polizei in der Wohnung eine weibliche Leiche, die noch am Donnerstagabend obduziert wurde. Vermutlich handelt es sich dabei um die Mutter des Täters. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft war sie schon vor einigen Wochen gestorben.

In Ratingen herrschte am 11. Mai Ausnahmezustand. Nach einer Explosion gab es mehrere Verletzte. (Foto: Roberto Pfeil/AFP)

Bei der Pressekonferenz am Freitag berichtete die Staatsanwaltschaft außerdem, dass in einer weiteren Wohnung eine Männerleiche gefunden worden sei. Die Ermittler prüfen nun, inwiefern diese mit der Explosion zusammenhängt. Nach Informationen des Spiegel handelt es sich um einen alten Mann, der stündliche Pflege benötigte. Weil die Pflegekräfte infolge des Rettungseinsatzes nicht zu ihm durchkamen, soll er nach der Explosion verstorben sein.

Brandursache war vermutlich Benzin

Ein Polizeisprecher sagte, die Wohnung, in der sich die Explosion ereignete, konnte erst an diesem Freitag von Tatort-Spezialisten betreten werden. "Da gab es ja Löscharbeiten und viel Löschwasser, das erst beseitigt werden musste." Dabei sei auch das Gefäß gefunden worden, in dem sich die "brennbare Flüssigkeit" befunden habe. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich dabei "mindestens um Benzin", möglicherweise vermischt mit anderen Stoffen. Heike Schulz von der Polizei Düsseldorf berichtet außerdem von einer sichergestellten Schusswaffe, sowie mehreren Messern und Dolchen.

Der 57-Jährige soll nach Angaben der Ermittler der sogenannten Prepper-Szene angehören. Die Wohnung habe den Eindruck gemacht, dass viele Vorräte angelegt worden seien. Zudem ließen Ermittlungen den Eindruck zu, dass der Mann zurückgezogen gelebt habe.

Von den schwerstverletzten Feuerwehrleuten und Polizisten kämpften am Freitag weiterhin mehrere um ihr Leben. Fünf Einsatzkräfte mussten nach Angaben der Feuerwehr Ratingen ins künstliche Koma versetzt werden. Nach Behördenangaben hat es insgesamt mehr als 30 Verletzte gegeben.

Noch nichts zum Motiv bekannt

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul hat sich nach der Explosion vorsichtig zum Motiv des mutmaßlichen Täters geäußert. Der Festgenommene habe sich "im Corona-Leugner-Umfeld gedanklich aufgehalten". Diese Hinweise bestätigte die Polizei bei der Pressekonferenz. Ein Zusammenhang zur Tat sei aber noch nicht bewiesen.

Für Polizei und Justiz ist der Verdächtige kein Unbekannter. Wegen eines nicht gezahlten Geldbetrags habe ein Vollstreckungshaftbefehl gegen ihn vorgelegen, sagte Laura Neumann, Sprecherin der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Er habe auch Voreintragungen, "aber nichts Einschlägiges, nichts Vergleichbares", sagte sie.

Spezialkräfte der Polizei betreten die Hochhauswohnung, in der die Explosion ausgelöst worden war. (Foto: Roberto Pfeil /AFP)

"Das ist wirklich etwas unvorstellbar Schreckliches für diejenigen, die sich Tag für Tag für andere Menschen und für deren Sicherheit einsetzen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst schrieb bei Twitter: "In Gedanken bin ich bei den Einsatzkräften, die mutig ihr Leben riskiert haben & nun darum kämpfen." Die Behörden setzten alles daran, die Umstände des Vorfalls aufzuklären. "Den Betroffenen gilt unsere volle Unterstützung."

In einer Version des Textes wurde das Alter des Verdächtigen mit 75 angegeben. Er ist aber 57. Wir haben den Fehler korrigiert.

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