Nürnberg:S-Bahn-Stöße: Keine Tötungsabsicht sichtbar

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Im Prozess um tödliche Stöße auf einem Nürnberger S-Bahnsteig gehen Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht von einer Tötungsabsicht der Angeklagten aus. Die...

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Nürnberg (dpa/lby) - Im Prozess um tödliche Stöße auf einem Nürnberger S-Bahnsteig gehen Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht von einer Tötungsabsicht der Angeklagten aus. Die Anklagebehörde forderte am Montag in ihrem Plädoyer, einen der beiden zur Tatzeit 17-Jährigen zu vier Jahren und fünf Monaten Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu verurteilen. Der zweite Angeklagte soll wegen des gleichen Straftatbestandes zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt werden.

Bei einem Handgemenge zwischen zwei Gruppen von Jugendlichen auf dem Bahnsteig nach einem Discobesuch waren drei junge Männer ins Gleisbett gestoßen worden. Ein Zug überrollte zwei von ihnen, der dritte konnte sich mit einem Sprung retten. Ein Urteil der Jugendkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth wird am Mittwoch erwartet. Die gesamte Hauptverhandlung findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, weil es sich bei den Angeklagten um Jugendliche handelt, denen der Prozess nach Jugendstrafrecht gemacht wird.

Die Beweisaufnahme vor der Jugendkammer habe nicht ergeben, dass die Jugendlichen den herannahenden Zug auf dem mit Menschen gefüllten Bahnsteig zwingend wahrgenommen haben müssen, argumentierte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Deshalb liege kein Tötungsvorsatz vor. Den Angeklagten könne auch nicht vorgeworfen werden, den Tod ihrer beiden Kontrahenten billigend in Kauf genommen zu haben.

Die Verteidiger der beiden jungen Männer schlossen sich der Argumentation der Staatsanwaltschaft an, beantragten jedoch eine deutlich geringere Strafzumessung von maximal zwei Jahren Haft für ihre Mandanten. Diese solle zur Bewährung ausgesetzt werden.

Die Verteidiger beider Männer betonten, wie stark die Angeklagten das Geschehene bereuten. Dies werde auch dadurch deutlich, dass einer der beiden dabei behilflich gewesen sei, das Leben des dritten Opfers zu retten. Die Angeklagten hatten bereits zuvor in Briefen bei den Familien der beiden getöteten Jugendlichen um Entschuldigung gebeten. Sie zahlten Beträge von 10 000 Euro beziehungsweise 10 250 Euro.

Die Nebenklage forderte dagegen im Auftrag der Hinterbliebenen eine Verurteilung wegen Totschlags von fünf Jahren und drei Monaten für einen der beiden Angeklagten und von vier Jahren und sechs Monaten für den anderen. Aus Sicht der Nebenklage habe die Beweisaufnahme ergeben, dass es einen Tötungsvorsatz gegeben habe.

Die Väter der Opfer hatten sich selbst auch an die Medien gewandt und waren in Fernsehsendungen aufgetreten. „Unsere Söhne haben versucht, schlichtend einzugreifen. Sie sind geschubst worden, es ist nicht aus einer Rangelei entstanden“, sagte Vater des Opfers am Rande der Verhandlung. Der Umgang der Gesellschaft mit Gewalt zeige sich auch darin, ob von Staat und Justiz angemessen darauf reagiert wird.

Die Verteidiger sprachen nach einer Mitteilung des Gerichtes von einer „vorverurteilenden Medienberichterstattung“. Bundesweit sorgen Angriffe auf Bahnhöfen immer wieder für Entsetzen. Ende Oktober starb im Berliner U-Bahnhof Kottbusser Tor ein 30-Jähriger, der vor eine einfahrende U-Bahn gestoßen wurde. Im Juli war ein achtjähriger Junge im Frankfurter Hauptbahnhof von einem Mann vor einen einfahrenden ICE in den Tod gestoßen worden. Als Konsequenz daraus kündigten Bundesregierung und Bahn an, die Videoüberwachung an Bahnhöfen auszuweiten.

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