Karlsruhe:Gift für 13 500 Tote: Zehn Jahre Haft für Rizin-Bombenbauer

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Eine Statue der Justitia hält eine Waage in der Hand. (Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa/Symbolbild)

Ein Zwerghamster musste für einen makaberen Tierversuch herhalten. Ein Kölner Ehepaar hatte ihn gekauft, um sein Fell mit dem hochgiftigen Rizin zu bestreichen....

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Ein Zwerghamster musste für einen makaberen Tierversuch herhalten. Ein Kölner Ehepaar hatte ihn gekauft, um sein Fell mit dem hochgiftigen Rizin zu bestreichen. Doch der Nager überlebte. Hunderte Menschen hätten aber sterben können. Am Donnerstag wurde ein 31-jähriger Tunesier für den Bau einer Bombe mit dem biologischen Kampfstoff Rizin zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Das Düsseldorfer Oberlandesgericht sprach Sief Allah H. (31) schuldig, eine biologischen Waffe hergestellt und einen Terroranschlag vorbereitet zu haben. Zuvor war das Verfahren gegen seine deutsche Ehefrau abgetrennt worden. Das Gericht warf ihren Verteidigern Prozessverschleppung vor. Das Paar soll gemeinsam an der Bombe gebaut haben.

„Sie wollten in der deutschen Bevölkerung ein Klima der Angst und Verunsicherung schaffen“, sagte der Vorsitzende Richter Jan van Lessen. Die vom Paar beschaffte Menge an Rizinus-Samen hätte rechnerisch für potenziell 13 500 Tote genügt. Tatsächlich wären wohl durch die Verbreitung mit einer Streubombe, garniert mit Stahlkugeln 200 Menschen oder weniger getötet worden.

Mit dem Urteil entsprach das Gericht der Strafforderung der Bundesanwaltschaft. Die Verteidiger hatten eine Strafe von maximal acht Jahren beantragt. In Tunesien hatte der 31-Jährige ohne Schulabschluss als Briefträger gearbeitet, bevor er die Deutsche Yasmin H. kennenlernte und 2016 nach Deutschland kam. Beide bekamen zwei Kinder.

In Chats des Messengers Telegram habe sich das Paar dann von mutmaßlichen Hintermännern des IS motivieren lassen, Anschläge in Deutschland zu begehen, nachdem die Ausreise nach Syrien gescheitert war. „Komm aus deinem Dachsbau, du Wolf, lass sie nicht schlafen“, habe einer geschrieben. Monatelang habe sich das Paar zielstrebig bemüht, die Pläne und Anleitungen in die Tat umzusetzen.

„Zum ersten Mal standen Angeklagte in Deutschland vor Gericht, die einen Anschlag mit einem biologischen Kampfstoff vorbereitet haben“, sagte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft. Der 31-Jährige habe diesen im dicht besiedelten Köln-Chorweiler und in der Nähe seiner eigenen Kinder vorbereitet.

Der Tunesier habe auch eine Testsprengung in einem Kölner Park unternommen. Er habe zudem einen Treueeid auf den damaligen IS-Anführer geleistet.

Außerdem habe das Paar 250 Stahlkugeln beschafft und Sprengstoff hergestellt. Diverse Zünder seien im Bau gewesen, als die Polizei zuschlug. Die Anschlagsvorbereitungen seien weit fortgeschritten gewesen, so die Anklage. Die Streubombe hätte eine möglichst große Zahl Menschen in einem geschlossenen Raum töten sollen.

Der Tunesier hatte die Bombenbau-Aktivitäten zugegeben, aber bestritten, einen Anschlag in Deutschland geplant zu haben. Er habe sich lediglich Fertigkeiten für seine geplante Zeit beim IS aneignen wollen. Inzwischen lehne er alle terroristischen Gruppen ab, sagte der 31-Jährige am Donnerstag, bemerkte aber zugleich: „Der Dschihad ist nicht barbarisch, er ist im Islam eine Pflicht.“

„Er hat sich sicherlich schuldig gemacht, das streiten wir nicht ab“, sagten seine Verteidiger. Das Gericht ließ unterdessen keinen Zweifel daran, dass es auch die 44-jährige Ehefrau und siebenfache Mutter Yasmin H. für schuldig hält. Es zitierte Zeugenaussagen von Nachbarinnen, wonach die Angeklagte zu ihrem Sohn gesagt habe: „Wenn du mal groß bist, wirst du auch Attentäter und kannst dich in die Luft sprengen.“ Und: „Wenn Allah sagt, wir sollen töten, dann töten wir.“

Am 13. Juni 2018 hatte die Polizei das Paar nach dem Hinweis eines ausländischen Geheimdienstes festgenommen. Der Dienst hatte wegen der Online-Käufe der großen Mengen Rizinus Verdacht geschöpft.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz liegt nicht weit von den Wohnungen des Paares entfernt, in denen die Utensilien entdeckt wurden. Es wäre der erste Terroranschlag mit einer sogenannten ABC-Waffe in Deutschland gewesen. Hinweise darauf, wo und wann genau der Anschlag hätte stattfinden sollen, fanden sich nicht. Der Prozess gegen die Ehefrau wird nun fortgesetzt. Sie hat eine 140 Seiten starke Aussage angekündigt.

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