Prozesse - Frankfurt am Main:Lübcke-Prozess: Angeklagter erläutert Geständnisse

Deutschland
Der Hauptangeklagte im Mordfall Lübcke, Stephan Ernst (hinten l) und der Mitangeklagte, Markus H. im Oberlandgericht (vorne r). Foto: Thomas Kienzle/AFP-Pool/dpa/Archiv (Foto: dpa)

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Frankfurt/Main (dpa) - Im Prozess um den tödlichen Kopfschuss auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der mutmaßliche Täter Stephan Ernst gesagt, der Entschluss zur Tat sei schon im April 2019 gefallen - also mehrere Wochen vor der Bluttat im Juni. Nachdem der 46-Jährige in der vergangenen Woche bereits Fragen des Gerichts zum Tathergang und der Vorbereitung beantwortet hatte, ging es am Montag vor dem Oberlandesgericht vor allem um seine widersprüchlichen Geständnisse vor der Polizei und die Rolle, die seine Ex-Anwälte dabei spielten. Auch nach dem wegen Beihilfe angeklagten Markus H. und seinen politischen Vorstellungen fragten die Richter.

Der mutmaßliche Rechtsterrorist Stephan Ernst hatte am Mittwoch die Tat gestanden; demnach war er der Schütze. Gleichzeitig belastete der 46-Jährige Markus H., der ebenfalls am Tatort gewesen sei und eine entscheidende Rolle gespielt habe. H. habe ihn radikalisiert, aufgehetzt und Lübcke als Ziel ins Spiel gebracht. Die Bundesanwaltschaft geht von rechtsextremistischen Tatmotiven aus.

In seinem ersten Geständnis vor der Polizei hatte sich Ernst als Einzeltäter bezeichnet. Sein damaliger Anwalt, von dem er zuvor bereits "in der Szene" gehört habe, habe ihm angesichts der DNA-Spur am Tatort zu einem Geständnis geraten, gleichzeitig aber empfohlen, von H. nichts zu sagen.

Später sei der kürzlich entlassene Pflichtverteidiger Frank Hannig auf ihn zugekommen und habe vorgeschlagen, "die Sache auf Null zu setzen". Nach dem Widerruf seines ersten Geständnisses hatte Ernst dann den Tod Lübckes als Unfall geschildert. Der Schuss habe sich aus der von H. gehaltenen Waffe versehentlich gelöst, als die beiden Männer den CDU-Politiker bedrohen und einschüchtern wollten.

Die politischen Einstellungen von H. gingen seiner Meinung nach "in Richtung Reichsbürger", sagte Ernst über seinen früheren Arbeitskollegen. Seine Wohnung sei voller Deko-Waffen und Militaria-Artikeln gewesen, mit Büchern über den Zweiten Weltkrieg. Auf Nachfragen bestätigte er, dass H. eine Original Zyklon-B-Dose auf seinem Schreibtisch gehabt habe. "Das war so sein Ding. Ich habe das nicht weiter kommentiert", sagte er. Worum es sich gehandelt habe, habe er erst erfahren, als H.'s Freundin "Ärger" wegen der Dose gemacht habe. Mit Zyklon B wurden in den Gaskammern der nationalsozialistischen Vernichtungslager Millionen Menschen ermordet.

H. habe gesagt, dass Berichte über den Holocaust "übertrieben" seien und nicht stimmten, sagte Ernst. H. sei es auch gewesen, der eine Schießscheibe mit dem Gesicht von Bundeskanzlerin Merkel in den gemeinsamen Schützenverein sowie zu einer Schießübung im Wald gebracht habe. Beide Männer seien öfters gemeinsam oder allein zu AfD-Stammtischen gegangen.

Die Bundesanwaltschaft konfrontierte Ernst anschließend zu seinen unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Angaben sowohl vor Gericht als auch in den vorangegangenen Geständnissen. Dabei ging es insbesondere um den Tatentschluss. Es sei schließlich "ein ziemlicher Sprung", jemanden schlagen oder töten zu wollen, sagte Dieter Kilmer, der Vertreter der Bundesanwaltschaft.

"Die Planung war da. Der Entschluss, was zu machen, stand schon fest", sagte Ernst über das Treffen mit H. im April. Verabredet sei gewesen: "Einer greift körperlich an, einer schießt." Deshalb sei auch nur eine Waffe im Spiel geblieben. Nach der Tat sei er "bedrückt, aber auch irgendwie aufgeputscht" gewesen, sagte Ernst auf die Fragen des Anklagevertreters.

Der Prozess wird am Donnerstag mit weiteren Fragen an Ernst fortgesetzt.

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