Prozesse - Berlin:Tödlicher Unfall mit Streife: Strafe gegen Beamten gemildert

Berlin
Eine Statue der Justitia steht mit Waage und Schwert in der Hand. Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Die Eltern hielten nach dem Urteil fassungslos ein gerahmtes Foto ihrer Tochter hoch: Knapp vier Jahre nach dem tödlichen Zusammenstoß eines Funkstreifenwagens mit dem Auto einer 21-Jährigen im Stadtzentrum Berlins hat das Landgericht am Dienstag eine Strafe von 12 900 Euro wegen fahrlässiger Tötung gegen einen Polizeibeamten verhängt. Damit blieben die Richter im Berufungsprozess unter der in der ersten Instanz verhängten Strafe. Ein Amtsgericht hatte den Beamten im Dezember 2020 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt.

Der angeklagte Hauptkommissar habe sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht, begründete das Landgericht Berlin. Der 54-Jährige sei bei der Einsatzfahrt mit einer Geschwindigkeit von etwa 130 Kilometer pro Stunde unterwegs gewesen und schließlich mit Tempo 91 in den Kleinwagen der Frau gekracht, die gerade einparken wollte.

"Der Angeklagte hätte nicht schneller als 80 Kilometer pro Stunde fahren dürfen", sagte der Vorsitzende Richter. Das Gericht habe allerdings berücksichtigt, dass es keine gesetzlich festgeschriebene Höchstgeschwindigkeiten für Einsatzfahren unter Nutzung von Sonder- und Wegerechten gebe. Wegen der fehlenden Regelung "musste ihm nicht zwingend einleuchten, dass er viel zu schnell war". Das Gericht gehe von einer "mittleren Fahrlässigkeit" aus. Eine Strafe von 150 Tagessätzen zu je 86 Euro erging gegen den Beamten.

Die junge Frau wechselte am 29. Januar 2018 am frühen Nachmittag auf der Grunerstraße nahe dem Alexanderplatz langsam von der mittleren Spur nach links zum Parken auf der Mittelinsel, als sich der Einsatzwagen mit Blaulicht und Martinshorn rasant näherte. Sie starb noch am Unfallort.

Als der Angeklagte den Wagen vor ihm sah, habe er sofort gebremst, hieß es weiter im Urteil. Bei einer geringeren Geschwindigkeit wäre der Unfall vermeidbar gewesen. Anders als die Vorinstanz gehe das Gericht von einem erheblichen Mitverschulden der 21-Jährigen aus. "Hätte sie sich richtig verhalten, hätte sie ihn sehen müssen und reagieren können", so der Richter.

Der Beamte, der am Steuer gesessen hatte, schwieg in dem Prozess. Seine Verteidiger erklärten, was geschehen ist, tue ihm unendlich leid. Er selbst sei durch den Unfall ein "psychisches Wrack". Auf Freispruch hatten die Verteidiger plädiert.

Die tödliche Kollision hatte große Aufmerksamkeit erregt. Erst Monate nach Ermittlungsbeginn war bekannt geworden, dass eine im Krankenhaus genommene Blutprobe des Fahrers Alkohol enthalten haben soll. Es kam der Verdacht auf, dass dies vertuscht werden sollte.

Der Vorsitzende Richter sagte, es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte unter Alkohol gestanden habe - "kein Zeuge nahm Alkoholgeruch wahr". Die Patientenakte des Polizisten durfte nicht als Beweismittel verwendet werden. Ihre Beschlagnahme sei rechtswidrig gewesen, so das Gericht.

Die Eltern der getöteten 21-Jährigen und ihr Bruder, die den Prozess als Nebenkläger verfolgten, hatten eine Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen grober Fahrlässigkeit verlangt. Sie hielten am Vorwurf fest, dass der Beamte alkoholisiert gewesen sei.

Aufgebracht und weinend reagierten die Eltern auf das jetzige Urteil. "Es ist ein Skandal, wir werden in Revision gehen", kündigte der Vater an. Sollte der Fall in die nächste Instanz gehen, müsste das Berliner Kammergericht entscheiden.

© dpa-infocom, dpa:211213-99-369580/4

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