Prozess gegen Boris Becker:Er wollte nur spielen

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Boris Becker erschien mit seiner Freundin Lilian de Carvalho Monteiro am Southwark Crown Court in London. (Foto: Martyn Wheatley/imago)

In der zweiten Woche des Prozesses in London verteidigt sich Boris Becker erstmals gegen die Vorwürfe, er habe Vermögenswerte verschleiert.

Von Michael Neudecker, London

Montag, Tag fünf in diesem Prozess im Southwark Crown Court, der offiziell als "The Queen v Boris Franz Becker" geführt wird. Boris Becker ist angeklagt, mehrere Millionen Euro im Zuge seiner Insolvenz verschleiert zu haben, und Jonathan Laidlaw, Beckers Anwalt, befragt nun seinen einzigen Zeugen: den Angeklagten selbst. Die Millionen fliegen nur so durch die Luft, fünf Millionen hier, zweieinhalb Millionen dort, 15 Millionen da.

In der ersten Woche hatte die Staatsanwältin Rebecca Chalkley dargelegt, wie Becker in 24 Fällen Vermögenswerte verschleiert haben soll. Diverse Pokale waren darunter, einer davon, der President's Cup, den der Wimbledon-Sieger zusätzlich zu seinem Siegerpokal bekommt, wurde im Gerichtssaal gezeigt; Becker soll ihn zu seiner Mutter gebracht haben, um ihn vor dem Insolvenzverwalter zu retten. Auch Immobilien in Chelsea und in Leimen soll Becker verschleiert haben. Der größte Teil der Anklagepunkte aber besteht aus Überweisungen verschiedener Summen, die Becker getätigt haben soll, zwischen 16. Mai und 21. Juni 2017, als das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Er brauche nur einen Zeugen, sagte Laidlaw vergangene Woche zur SZ, er sei sich da sehr sicher.

Laidlaw geht mit Becker, der den ganzen Tag im Zeugenstand gegenüber der zwölf Geschworenen sitzt, zunächst sein Leben ab 1984 durch, als er mit 16 seine Tenniskarriere begann. Wimbledon-Sieger 1985? "Correct." Noch zwei weitere Wimbledon-Siege? "Correct." Zweimal verheiratet und geschieden? "Correct." Als Laidlaw Becker fragt, wie viel Geld er als Sportler verdient habe, antwortet Becker: 25 Millionen Dollar Preisgeld, dazu noch einmal 25 Millionen Euro aus Sponsorenverträgen.

"Sehr teure Scheidung"

Aber nach Karriereende kamen die Probleme, sein Einkommen sei "dramatically" zurückgegangen, sagt Becker. Er kaufte trotzdem Immobilien, etwa ein 2,5 Millionen Pfund teures Appartement in London für seine Tochter Anna Ermakova, deren Zeugung wiederum Gegenstand der Scheidung von seiner ersten Frau Barbara war, und zwar einer "sehr teuren Scheidung". Auf Mallorca kaufte er ein Grundstück und baute ein Anwesen, "mit Tennisplatz und Basketballplatz". Auf 15 Millionen Euro schätzt Becker den Wert - jedenfalls bevor bekannt wurde, dass er das Anwesen wegen finanzieller Schwierigkeiten verkaufen muss. Immer wieder fragt Laidlaw Becker nach einzelnen Summen, zwischendurch bittet Becker um eine Unterbrechung, weil er einzelne Finanzfachbegriffe auf Englisch nicht verstehe und die Dolmetscherin sie aber nicht übersetzen könne.

Seine Finanzen, das versucht Laidlaw mit unzähligen Detailfragen herauszuarbeiten, hatte dieser Mann nie im Griff. "Haben Sie während Ihrer Karriere jemals eine Rechnung gesehen?", fragt Laidlaw. "Nein", sagt Becker. "Wenn Sie 2011 jemand gefragt hätte, wie viele Bankkonten Sie haben, hätten Sie das beantworten können?" - "Nein, das hätte ich nicht gewusst."

Es ist eine fast schon klischeehafte Sportlerkarriere, die da am Montag im fensterlosen Saal 3 im Southwark Crown Court nachgezeichnet wird. Ein Junge, der früh erfolgreich ist, Ruhm und Reichtum erlangt, aber letztlich immer derselbe Junge bleibt: der, der nur spielen will. Er habe trainiert und Turniere gespielt, sagt Becker, seine Berater und Manager hätten sich um alles andere gekümmert. Der Aufprall mit der Realität kam, als das Geld knapp wurde.

Im schlimmsten Fall drohen Becker sieben Jahre Haft. Ob es aber so kommen wird, liegt auch daran, ob die Geschworenen Beckers Darstellung eines Mannes glauben, der wenig wusste und nie etwas falsch machen wollte. Ein Opfer, kein Täter. Als es um sein Privatleben geht, will Laidlaw genau wissen, wie die öffentliche Reaktion in Deutschland auf seine erste Frau Barbara Feltus war, eine dunkelhäutige Frau. Schlecht, sagt Becker, wegen ihrer Hautfarbe sei er kritisiert worden.

Am Dienstag wird Beckers Befragung fortgesetzt. Mit einem Urteil, sagt Laidlaw in einer Prozesspause, rechne er kommende Woche.

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