Ein Playboy wird 90:Der Garten Eden

Lesezeit: 4 min

"Ich verdränge alles, was mir nicht gefällt." Rolf Eden mit Freundin Brigitte. (Foto: Hannibal Hanschke/dpa)

Für die einen ist er "Deutschlands letzter Playboy", für die anderen "der alte weiße Mann" par excellence: Der ehemalige Berliner Nachtclub-Betreiber Rolf Eden wird 90 Jahre alt. Seine Lebensgeschichte ist und bleibt: erstaunlich

Von Martin Zips, München

Man könnte es sich nun leicht machen und diesen Mann schlicht ignorieren. Zum Beispiel, weil er sieben Kinder von sieben Frauen hat, und das gehört sich eigentlich nicht. Seit Jahrzehnten spricht Rolf Eden zudem fast nur von weiblichen Brüsten und Hintern. Seinen Gesprächspartnern weicht er aus, wenn es um ernste Fragen geht. "Ich verdränge alles, was mir nicht gefällt", das hat er seinem Filmbiografen Peter Dörfler vor einigen Jahren mal gestanden. Die Dokumentation dazu heißt " The Big Eden", stammt von 2012 und ist auch heute noch ein hochinteressantes Zeugnis einer Zeit, zu deren abschließender Bewertung manchen allein die Namen einiger alter weißer Männer einfallen: Hugh Hefner, Russ Meyer, Marlon Brando, David Hamilton. Wie kurz gedacht!

Rolf Eden, "Deutschlands letzter Playboy" ( Express, Welt, Bild), feiert an diesem Donnerstag seinen 90. Geburtstag. Interviews gibt er nicht mehr gerne. Das ist aufgrund seines hohen Alters verständlich und doch irgendwie erstaunlich für jemanden, der immer den ganz großen Auftritt pflegte, sich einen "Exhibitionisten" nannte oder behauptete: "Ich schlafe doch nicht zweimal mit der gleichen Frau."

"Dolly Parton Challenge"
:Körperkunst seit 1946

Auf Instagram setzte sich Dolly Parton, Countrysängerin und Gesamtkunstwerk, kürzlich mal wieder ein Denkmal - ob ihr das bei jüngeren Generationen zu Ruhm verhilft, ist fraglich.

Von Theresa Hein

Der vor allem in den Sechziger- und Siebzigerjahren sehr erfolgreiche Berliner Nachtclub- und Immobilienbesitzer habe es verstanden, jeder seiner Freundinnen mit Komplimenten und Geschenken einerseits "das Gefühl vollkommener Liebe" zu vermitteln, so erklärte einer seiner Söhne einmal. Gleichzeitig habe er sie nie über den Umstand im Unklaren gelassen, "nur eine von vielen zu sein".

Zu seinen meist sehr jungen, blonden Bekanntschaften nahm Eden ersten Kontakt unter anderem über Tonfilmkameras auf. Super 8, Video - Eden interviewte Frauen gerne persönlich mit dem Handmikrofon, meist wenn sie bereits lagen. Gleichzeitig überhäufte er Damen mit parfümiertem Lob und dem Charme eines greisen Millionärs. Die Schauspielerin Ursula Buchfellner, die mehrere Jahre mit dem Playboy liiert war, berichtet etwa in "The Big Eden", Rolf habe ihr noch am Tag der Trennung einen wertvollen Ring geschenkt. So viel Großzügigkeit habe sie nie wieder erlebt.

Doch wie viel Kompensation steckt hinter Edens Satz "Ich verdränge alles, was mir nicht gefällt"? Und was genau verdrängt er denn? Seine Kindheit, die ihn als Rolf Sigmund Sostheim zusammen mit seinen Eltern im deutschen Schicksalsjahr 1933 von Berlin nach Palästina führte?

Wie bei vielen anderen jüdischen Deutschen, die den Edens folgten, war es die Flucht vor der nationalsozialistischen Bedrohung. Edens Vater, der in Berlin in einer Containerfabrik gut verdient hatte, versuchte sich in Nahost später als Taxifahrer und Cafébetreiber. Als eine Rückforderung der Banken allerdings die vierköpfige Familie in den finanziellen Ruin zu stürzen drohte, musste auch der erst 14-jährige Rolf, den sie in Haifa "Shimon" nannten, arbeiten gehen. Mit 18 dann schickte man ihn im Israelischen Unabhängigkeitskrieg an die Front. Von den 1200 Soldaten seiner Einheit, der auch der spätere israelische Ministerpräsident Jitzchak Rabin angehörte, überlebten nur 400.

"Wenn man Geld hat, hat man auch Frauen"

In einem Ein-Mann-Zelt zeugte der gerade volljährig gewordene Shimon mit einer Soldatin sein erstes Kind, Tochter Irit. Aber Familie war schon damals nicht sein Ding, nach dem Krieg zog Eden nach Paris, um dort als Akkordeonspieler, Pianist oder Sänger zu arbeiten. Er fühle sich als Sieger, nicht als Opfer, erklärte er. Als er in einer Zeitung von den 6000 Mark las, die jedem Berliner gezahlt werden sollten, der in seine zerstörte Geburtsstadt zurückkehrte, nahm er das Angebot an. Zunächst arbeitete er in einer amerikanischen Bar, dann, 1957, eröffnete er seinen ersten Nachtclub, der es als "originellste Bar der Welt" in einen US-Reiseführer schaffte.

Fashion
:Victorias Problem

Die "Victoria's Secret Fashion Show" wurde früher weltweit gefeiert wie sonst nur Fußballturniere. Jetzt hat das Dessous-Label die diesjährige Show gestrichen. Ist das sein Ende?

Von Magdalena Pulz und Violetta Simon

Nackte weibliche Haut wurde zum wichtigsten Teil seines Business. Etwa als Eden den bis heute in der Clubkultur als "DJ" gerühmten Beruf des Live-Musikmachers erfand. Zunächst als Job für oberkörperentblößte weibliche Angestellte. Den Verfall der Grundstückpreise infolge des Berliner Mauerbaus nutzte Eden zum Kauf weiterer glitzernder Etablissements, in denen die Rolling Stones bald ebenso aufkreuzten wie die Beatles, Ella Fitzgerald, der Juhnke oder der Kinski. Den Fall der Mauer nutzte er hingegen: zum Verkauf.

Eden war derart erfolgreich, dass er sich sogar einen eigenen Chauffeur leisten konnte, der ihn Abend für Abend im Rolls-Royce von Club zu Club kutschierte. Und natürlich antwortete er auf die Frage der Boulevard-Reporter nach seinem Lebensrezept ganz schlicht: "Wenn man Geld hat, hat man auch Frauen." Logo.

Keines seiner Kinder ist in seine Fußstapfen getreten

Nein, niemand fürchtete im muffeligen Nachkriegsdeutschland von Adenauer bis Kohl die Peinlichkeit weniger als er, der einige seiner Kinder erst Jahrzehnte nach ihrer Geburt erstmals traf oder den Deutschen im Fernsehen erklärte, Flatrate-Bordelle seien "das Schönste überhaupt". In seine Fußstapfen ist keines seiner Kinder getreten. Edens Sohn Marco, der als Diplompsychologe in Konstanz arbeitet, gibt sogar ganz offen zu, er fürchte die "oberflächlichen und platten Antworten" seines Vaters auf wirklich entscheidende Fragen des Lebens.

Aber es gibt eben auch die anderen, die heiter-melancholischen Episoden aus dem Garten Eden. Etwa, wenn ein alter Freund berichtet, "Shimon" habe ihm, als er ihm während eines Telefonats von seiner Krebsbehandlung erzählte, zwar erst einmal den Hörer hingeknallt. Ein paar Tage später aber habe der Freund auf seinem Konto unaufgefordert einen riesigen Geldbetrag von Rolf Eden entdeckt, mit dem alle Behandlungen beglichen werden konnten. Ja, es spricht einiges dafür, dass Rolf "Shimon" Eden gar kein ganz so schlechter Mensch ist. Auch die Mütter seiner Kinder lassen öffentlich nichts auf ihn kommen. Obwohl er - bei derart vielen Kontakten verliert man schnell den Überblick - bei seinen Blumengrüßen auch mal Valentins- und Muttertag verwechselt.

Und so bleibt der Berliner "Playboy" Eden ein (wenn auch mehrmals geliftetes) Phänomen, selbst unter besonderer Betrachtung seiner aktuellen, sehr jungen Partnerin Brigitte, die sich "Brischid" nennen lässt. In Peter Dörflers Dokumentarfilm sagt sie, man müsse bei ihr wohl eher von einem Mutter- statt von einem Vaterkomplex sprechen. Schließlich befinde sich ihr Lebensgefährte noch mitten in der Pubertät. Aber da ist er wirklich nicht der Einzige.

© SZ/nas - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBiologie
:Was Haare grau werden lässt

Manche Menschen ergrauen innerhalb kürzester Zeit. An den Genen liegt das nicht immer. Forscher haben jetzt eine mögliche psychologische Ursache gefunden.

Von Tina Baier

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: