Mitten in ... Washington
Der Schal wird in Washington jetzt öfter mal abgelegt, das macht einen unauffälliger. Kürzlich im Taxi fragte mich der äthiopische Fahrer, ob ich Europäer sei. Wegen meines Akzents?, erkundigte ich mich. "The scarf", korrigierte der Chauffeur, der Schal. "Amerikaner tragen keine Schals." Seither habe ich den Eindruck, dass die Zahl der Schalträger in der US-Hauptstadt tatsächlich gering ist. Das mag meiner veränderten Wahrnehmung geschuldet sein oder dem Wetter. Wenn ich trotzdem Leute mit dickerem Halstuch sehe, dann handelt es sich sicher um europäische Zuwanderer. Der Fachmann am Steuer wusste eine weitere Art der Unterscheidung: Er könne Amerikaner an der Art erkennen, wie sie Cheese Cake essen. Nämlich zuerst den hinteren Rand. Ich bestellte später einen Käsekuchen und fing automatisch vorne an. Peter Burghardt
Mitten in ... Kizimkazi
Ein lauer Abend auf Sansibar, die Sonne ist im Meer versunken, wir sitzen bei "Scrabble" draußen, die Füße im Sand. Es quiekt. Nanu? Vermutlich die verspielten Hunde der Familie, die die Unterkunft leitet. Es quiekt lauter. Einer der Hunde hat etwas im Maul, im Halbdunkel sieht es aus wie ein Quietscheknochen. Der Hund legt es ab. Es läuft. Als er noch einmal reinbeißt, hören wir ein leises Knacken. Eine Urlauberin aus Südafrika hält das Handylicht drauf: "Oh, eine Ratte!" Das Tier hat eher die Größe eines Chihuahuas und wirkt nicht so ganz tot. "Wusstet ihr, dass die Einheimischen die essen?", fragt die Südafrikanerin. Da eilt ein Mann herbei und räumt die Ratte mit zwei Stöcken weg. Moment mal, war das nicht der Koch? Zum Glück folgt die Entwarnung umgehend, als die Besitzerin der Unterkunft dazukommt. "Keine Sorge", sagt sie, "wir werden sie nicht kochen." Veronika Wulf
Mitten in ... Rom
Largo di Torre Argentina, Rom, später Freitagnachmittag. Gleich geht die Sonne unter, mit dem üblichen Farbendrama. Alles wartet. Hier kommen die Busse von einem Dutzend Linien vorbei, auch der 64er und der 30er - wenn sie dann mal kommen. Und mitten in diesem gebremsten Großstadtrauschen steht eine junge Frau mit wildem Lockenkopf. Unter dem Arm trägt sie ein Bündel der kleinen Zeitung Lotta Comunista, Kommunistischer Kampf. Gerade rief sie noch: "Signori: Lotta Comunista! Fünf Euro." Und wedelte mit einer Ausgabe. Läuft nicht so gut. Jetzt unterhält sie sich angeregt mit einer älteren Nonne in blauem Gewand, die schweigt und lächelt, die Hände gefaltet vor dem Bauch. Dann sagt die junge Frau: "Wissen Sie, wir brauchen eine Revolution, eine richtig große Revolution." Die Nonne streicht ihr sanft über den Arm. Dann kommt der 64er. Oliver Meiler
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