SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Schaut mal, die Deppen erkennen ihn nicht"

Lesezeit: 2 min

Jochen Kaluza-Praschl und Stefan Kürzel (links) unterhalten sich neben Mick Jagger (rechts) am Würstelstand hinter der Wiener Staatsoper darüber, wie ihr Leben auch anders hätte verlaufen können. (Foto: Twitter.com/Mick Jagger)

Zwei Österreicher trinken Bier mit Mick Jagger an einem Würstelstand in Wien. Oder besser gesagt: Zwei Österreicher hätten Bier mit Mick Jagger trinken können - wenn sie ihn denn wahrgenommen hätten. Ein Gespräch über eine Nichtbegegnung.

Interview von Martin Zips

Eigentlich wollten Stefan Kürzel und Jochen Kaluza-Praschl nach ihren Vorbereitungen für das Gala-Diner eines großen Radiologenkongresses in der Wiener Hofreitschule einfach nur noch ein Bier miteinander trinken gehen. Aber dann stand plötzlich Mick Jagger neben ihnen.

SZ: Herr Kaluza-Praschl, worüber haben Sie sich mit Herrn Kürzel am Würstelstand hinter der Wiener Staatsoper unterhalten?

Jochen Kaluza-Praschl: Zum Beispiel darüber, ob wir bald wieder in den Winterschlaf geschickt werden, wegen Corona. Stefan und ich arbeiten ja beide in der Eventbranche und kennen uns schon seit vielen, vielen Jahren. Diesmal haben wir einen Radiologenkongress ausgestattet. Stefan als Techniker, ich als Ausstatter. Wir kamen gerade vom Soundcheck. Es war 0.30 Uhr.

Und da wurden Sie fotografiert.

Stefan Kürzel: Eigentlich wurden nicht wir fotografiert, sondern der schlanke Herr mit Schirmmütze neben uns.

Herr Kaluza-Praschl, Sie hatten von Ihrem Platz am Würstelstand doch einen wirklich guten Blick auf diesen Mann. Wieso haben Sie ihn nicht erkannt?

Kaluza-Praschl: Wir waren einfach zu vertieft in unser Gespräch. Und klar: Das hätte auch ein Radiologe sein können. Oder so einer wie wir. Jedenfalls muss ich zugeben: Es war mir nicht klar, dass es sich hier um einen Weltstar handelte.

Mick Jagger am Tag nach seinem Auftritt am Würstelstand: auf der Bühne des Wiener Ernst-Happel-Stadions. (Foto: Hans Klaus Techt/AFP/AFP)

Kürzel: Wegen unseres Berufs haben wir ja immer wieder mit Prominenten zu tun. Noch häufiger mit Vorständen, etwa so Leuten wie Sir Richard Branson oder Bill Gates. Da könnte ich Ihnen jetzt viele Geschichten erzählen ... Aber lieber warte ich damit bis zu meinem Ruhestand.

Kaluza-Praschl: Am nächsten Morgen jedenfalls ging's los, da bekam ich das Foto geschickt und habe mich geärgert: Wer fotografiert mich denn da, ohne mir etwas zu sagen? Erst später bemerkte ich, dass neben uns Mick Jagger zu sehen ist. Jaggers Team hatte das Bild ja aufgenommen und anschließend getwittert.

Kürzel: Und ich habe uns dann geoutet, im Netz. Weil natürlich jeder sich lustig machte: "Schaut mal, die Deppen erkennen ihn nicht." Damit muss man offensiv umgehen.

Hat es Sie im Nachhinein geärgert, dass Sie Jagger nicht erkannten?

Kürzel: Nein. Angesprochen hätten wir ihn sowieso nicht. Wir wissen ja, dass Künstler ihre Ruhe brauchen.

Kaluza-Praschl: Aber lustig war's schon. Vor allem, weil wir uns tatsächlich gerade darüber unterhalten haben, wie unser eigenes Leben verlaufen wäre, wären wir auch Musiker geworden.

Ach. Sie wollten Musiker werden?

Kaluza-Praschl: Ja, Stefan war früher Produzent und ich Singer-Songwriter. Aber viele unserer alten Freunde sind später ebenfalls hinter der Bühne gelandet. Oder wurden Steuerberater oder so.

Kürzel: Ich bin dankbar, diesen tollen Job machen zu dürfen.

Ein Gala-Diner mit Radiologen veranstalten, das ist auch nicht schlecht, gell?

Kaluza-Praschl: Klar. Mein Vater jedenfalls fand Jagger immer gut.

Kürzel: Der hat übrigens Dosenbier getrunken, neben uns. Die Falco-Edition vom Ottakringer.

Herr Kaluza-Praschl, Herr Kürzel: Gibt es jemanden, den Sie demnächst noch lieber am Würstelstand treffen würden als Herrn Jagger?

Kaluza-Praschl: Also, ich würde mich über Brian Molko freuen, den Placebo-Frontman. Das ist eher meine Generation.

Kürzel: Ich würde gerne einen Zeitreisenden treffen, am Würstelstand. Und den würd ich dann zurückschicken und ihm sagen, er soll meinem vergangenen Ich bitte mitteilen, dass es sich umdreht, wenn Mick Jagger fotografiert wird.

Weitere Folgen der SZ-Serie "Ein Anruf bei ..." finden Sie hier .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Serie "Ein Anruf bei..."
:"Wir fanden es immer recht nett im Kreisverkehr"

Der Kölner Brauer Daniel Meyer lüftet das Geheimnis, warum ein Dortmunder Kreisverkehr plötzlich auf Google Maps "Brauer-Gedächtnis-Park" hieß.

Interview von Martin Zips

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: