Man muss diese Geschichte mit einer sehr grundsätzlichen Frage beginnen: Was ist eigentlich Glück? Joaquín "El Chapo" Guzmán Loera lag noch im Bett, als an jenem Morgen des 16. Februar 2014 Schläge gegen seine Tür donnerten. Drogenfahndung, sofort aufmachen! Guzmán war damals noch der Boss des Sinaloa-Kartells, vom Schlafzimmer rannte er ins Bad, klappte dort mit Hilfe einer Hydraulik die Wanne hoch - und entkam durch einen Geheimgang in die Kanalisation.
Guzmán hatte - man kann das durchaus so sagen - noch mal Glück gehabt, die Beamten dagegen Pech. Schon ein paar Tage später allerdings wendete sich das Blatt, die Festnahme gelang. Diesmal jubelten die Polizisten, El Chapo dagegen landete in einer Hochsicherheitszelle.
Ausgerechnet das Haus aber, aus dem er einst so spektakulär entkam, soll nun an einen noch unbekannten Glückspilz gehen, ist es doch einer der Hauptgewinne beim Gran Sorteo Especial 248, auch bekannt unter dem Namen "Narco-Lotterie". Ins Leben gerufen hat sie niemand Geringeres als die mexikanische Regierung und ihr Präsident Andrés Manuel López Obrador. Der wegen seiner Initialen auch AMLO genannte Politiker liebt große Gesten, auch wenn er bei deren Umsetzung des Öfteren etwas, nun ja: unglücklich ist.
So versprach AMLO schon im Wahlkampf großspurig, dass er im Falle eines Sieges keinen Fuß in die luxuriöse Präsidentenmaschine setzen würde, die sein Vor-Vorgänger für mehr als 200 Millionen Dollar gekauft hatte. Eine Schande sei das in einem Land, in dem so viel Armut herrsche. Damit hatte er nicht ganz unrecht, los wurde er den Flieger trotzdem nicht. Auch nach zwei Jahren fand sich kein Käufer und so beschloss der Präsident, die Boeing 787 zu verlosen, in einer Lotterie, zum Wohl des Volkes.
Bald aber stellten sich Fragen: Was, zum Beispiel, sollte Otto Normalgewinner mit einem Passagierflugzeug anfangen? AMLO musste also erklären, dass der Wert des Flugzeuges als Preisgeld ausgezahlt werden würde. So richtig zog das aber auch nicht, nur schleppend verkauften sich die Lose und am Ende musste die Regierung einspringen: Eine Behörde erstand eine knappe Million Scheine und verteilte sie an Kliniken, mit der Auflage, im Falle eines Gewinns diesen im Sinne der Allgemeinheit und der Patienten auszugeben.
261 Quadratmeter Wohnfläche, beige gekachelte Küche, keine Extras
Eine große Show sei das alles gewesen, sagen Kritiker, noch immer steht die Präsidentenmaschine unverkauft im Hangar. Dennoch folgt nun, ein Jahr später, die nächste Lotterie. Diesmal ist eine Loge im legendären Azteca-Fußballstadion der Hauptpreis, dazu gibt es aber eben auch noch Immobilien zu gewinnen, allesamt aus dem Besitz korrupter Politiker oder Drogenbosse.
Es stehen ein Apartment in Acapulco auf der Liste, ein Landgut und eine 2200-Quadratmeter-Villa mit Whirlpool und Sauna. Und natürlich ist da noch das Haus von El Chapo, 261 Quadratmeter Wohnfläche, beige gekachelte Küche und keine Extras - mal abgesehen von der Badewanne und dem unter ihr verborgenen Geheimtunnel. Ob er noch intakt ist, darüber gibt es keine Angaben, dafür aber den Hinweis vonseiten der Lotteriebehörde, dass man keine Haftung übernehme für den Zustand der Immobilien.
Die Narco-Lotterie bleibt also ein Glücksspiel, im wahrsten Sinne des Wortes, schließlich gibt es zu allem Überfluss auch noch die reelle Gefahr, dass Kartelle auch nach der Verlosung noch ein Interesse anmelden an den Besitztümern ihrer ehemaligen Bosse. Und das wiederum könnte für die Gewinner zu einem harten Los werden, Glück hin oder her.