Italien:Der Youtube-Koch war ein Mafioso

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In der Dominikanischen Republik wurde Mafioso Marc Feren Claude Biart nach jahrelanger Flucht festgenommen. Seinen Aufenthaltsort hat er unbeabsichtigt selbst preisgegeben - durch seine Youtube-Videos. (Foto: ITALIAN POLICE/ITALIAN POLICE VIA REUTERS)

Italien nimmt zwei flüchtige Mafia-Mitglieder fest: Der eine fühlte sich im Internet sicher, dem anderen - dessen Familie in das Blutbad von Duisburg verwickelt war - wurde Corona zum Verhängnis.

Von Oliver Meiler, Rom

Wenn Bosse der Mafia untertauchen, um sich der Justiz zu entziehen, nennt man sie in Italien "Flüchtige". Der Begriff führt oft in die Irre. Wenigstens geografisch ist es selten eine Flucht: Die meisten verstecken sich nämlich daheim, um auch ja nichts von ihrer Einschüchterungsmacht einzubüßen. Sie leben dann jahrelang in fensterlosen Löchern unter ihren Häusern, die sie eigens dafür ausheben ließen, die können auch feudal ausgestattet sein. Oder in Berghöhlen. Oder in vermeintlich verlassenen Scheunen in Olivenhainen.

Andere fliehen tatsächlich ins Ausland und fliegen erst auf, wenn sie leichtsinnige Fehler begehen oder wenn das Schicksal zuschlägt. Zwei von ihnen sind nun verhaftet worden, ein mittlerer und ein richtig großer Fisch der kalabrischen 'Ndrangheta.

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In der Dominikanischen Republik haben die Ermittler Marc Feren Claude Biart festgenommen, 53 Jahre alt, geboren in Rom. Der Drogenhändler hatte früher für einen Clan aus Rosarno gearbeitet, stationiert war er in den Niederlanden. 2014 setzte er sich ab und landete in Boca Chica und lebte ein recht unauffälliges Leben, er mied Luxus und Mondänität. In der italienischen Gemeinde von Boca Chica kannte man ihn nur als "Marc". Irgendwann muss er sich sicher gefühlt haben.

Er erlag der Versuchung, sich seiner Leidenschaften hinzugeben: dem Kochen - und zwar vor großem Publikum auf einem eigenen Youtube-Channel. Der Mafioso zeigte nie seinen Kopf in den Videos, die sie drehten. Doch da es in der Karibik nun mal warm ist, blieb viel tätowierte Haut frei. Die Fahnder aus der Heimat erkannten die Tattoos, dann ging es ganz schnell, und eine Maschine brachte ihn nach Mailand.

"Ciccio Pakistan" lag an Covid-19 erkrankt im Krankenhaus in Portugal

Francesco Pelle wurde dagegen Corona zum Verhängnis. Er lag unter falschem Namen in einer Klinik in Lissabon, als die Polizei kam, offenbar war er unfähig zu reden: Covid-19 setzte ihm schwer zu. Pelle ist einer der meistgesuchten Bosse Italiens, je nach Klassement Top acht oder Top 30 der gefährlichsten Mafiosi, 44 Jahre alt, aus dem kalabrischen Africo. In Italien ist er unter dem Spitznamen "Ciccio Pakistan" bekannt: "Ciccio" ist eine verniedlichende Form für Francesco, und "Pakistan" nennt man ihn, weil er entfernt südasiatische Gesichtszüge und etwas dunklere Hautfarbe hat.

Pelle ist einer der Protagonisten jener noch immer fast unfassbaren, über viele Jahre dauernden Bruderfehde unter vier Familien der 'Ndrangheta, die im sogenannten "Massaker von Duisburg" 2007 kulminierte: mit sechs Toten, alles junge und sehr junge Männer, vor der Pizzeria "Da Bruno" beim Bahnhof. Rache und Gegenrache in einem brutalen Rhythmus. "Ciccio Pakistan" war ein Jahr davor knapp einem Mordkomplott der Rivalen entgangen: Ein Killer der Clans Nirta und Strangio hatte mit einem Präzisionsgewehr aus der Ferne auf ihn geschossen, als er auf seiner Sonnenterrasse lag. Die Kugeln trafen ihn am Rücken, er ist seitdem an den Rollstuhl gebunden.

In seinem blutigen Rachewahn wurde er zu einem gefürchteten Boss, mit einem dichten Netz an Helfern. Anders ist seine lange Flucht nicht zu erklären. Erst Corona bezwang "Ciccio Pakistan". Er ist zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt, mit dem umstrittenen Zusatz "fine pena mai" - ohne Aussicht auf ein Ende der Haft.

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