Wildtiere in Los Angeles:Der Brad Pitt unter den Pumas

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Very Important Puma: P-22 auf einem Schnappschuss aus dem Jahr 2014. Seine Bewegungen werden von einem Tracking-Halsband aufgezeichnet. (Foto: Uncredited/AP)

Seit zehn Jahren streift der Berglöwe P-22 durch den Griffith Park in Los Angeles. In der Stadt genießt er längst Promistatus, doch er hat ein Problem: Er findet keine Frau. Nun bahnt sich eine Lösung an.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt ein paar Sachen, die sollte man als Einwohner von Los Angeles unbedingt getan haben, um als echter Angeleno zu gelten: den Verkehr auf den wahnsinnigen Stadt-Highways 101 und 405 überleben, durch den Griffith Park zum Hollywood-Zeichen wandern und bei alldem immer ganz gechillt wirken. So gesehen ist P-22 durch und durch L.A., und es stört auch keinen, dass er kein Mensch ist, sondern ein Puma.

Er ist kein Corona-Zuagroaster, wie es zum Beispiel die Delfine in den Kanälen von Venice Beach sind und die Kojoten in den Parks im Süden von Los Angeles - Symbole dafür, was mit der Welt passiert, wenn der Mensch mal nicht dauernd unterwegs ist und viel Platz für sich beansprucht. P-22, zwölf Jahre alt, ist schon lange da, genauer gesagt ein Jahrzehnt. 2012 machte er sich auf den Weg aus den Santa Monica Mountains, wanderte mehr als 80 Kilometer nach Süden, überquerte die Highways 101 und 405 und machte es sich im Griffith Park gemütlich. Es gibt ein Foto von ihm aus dem Jahr 2013, wie er unter dem erleuchteten Hollywood-Zeichen wandert. Das Bild sieht so aus, als hätte ein Paparazzo einen Promi abgelichtet. Spätestens seitdem ist P-22 eine Berühmtheit.

P-22 klingt wie der Künstlername eines Rappers oder Sportlers, es ist aber ganz einfach seine Kennnummer, die ihm die Wissenschaft verpasst hat: "P" steht für Puma, und er war nun mal der 22. der etwa 100 Berglöwen, die 2010 in den Bergen von Santa Monica entdeckt wurden. Als er zwei Jahre später im Griffith Park gefasst wurde, bekam er ein Tracking-Halsband umgelegt; seitdem werden die Bewegungen aufgezeichnet, und seitdem ist P-22 bekannt in dieser Stadt, die wie kaum eine andere für den Gegensatz zwischen urbanem Betondschungel und Natur steht. Man kann in Downtown Los Angeles wohnen und muss nur 60 Minuten mit dem Auto fahren (falls kein Stau ist), und schon sind da: Ozean, Berge, Wüste, Wälder.

Manchmal besucht er die Schauspieler in ihren Gärten

Der Griffith Park, bekannt für das Hollywood-Zeichen und das Observatorium mit seinen wissenschaftlichen Ausstellungen und dem Planetarium, ist mit einer Fläche von 21 Quadratkilometern zwar riesig, als Territorium für eine Wildkatze aber dennoch recht klein - ein Puma-Revier umfasst für gewöhnlich 375 Quadratkilometer. Es gab deshalb zunächst Befürchtungen, dass P-22 den Menschen in die Quere kommen könnte; doch das passierte nicht. Es gibt immer wieder mal Video-Aufzeichnungen von ihm, zuletzt im Januar auf der Sicherheitskamera der Schauspielerin Leilani Fideler. "Er ist über den Zaun in den Garten gehüpft, das war ziemlich wild", sagte sie. Ansonsten ist P-22 so gechillt wie die Angelenos - leben und leben lassen.

Trotz des Tracking-Halsbandes ist es schwer, seinen exakten Aufenthaltsort zu bestimmen. "Die meiste Zeit über wissen wir nicht, wo er ist", sagt Seth Riley vom National Park Service: "Nur weil viele Leute jetzt Fotos von ihm haben, bedeutet es nicht, dass er häufiger in der Nähe von Häusern ist. Es bedeutet, dass die Leute mehr Kameras besitzen." Es ist natürlich auch typisch L.A., dass sie so ein Tier akzeptieren, anderswo wäre P-22 zum Problempuma erklärt und gefangen oder vielleicht gar getötet worden.

Doch in L.A. gilt nun mal: Ein Promi kriegt Sonderrechte. Als P-22 ein Tier fraß, das zuvor mit Rodentizid vergiftet worden war, und deshalb krank wurde, gab es öffentlichen Furor - seit Oktober 2020 ist das Gift verboten. Als er in den Zoo von Los Angeles eingedrungen sein und dort einen Koalabären verspeist haben soll - es ist nicht gewiss, ob es wirklich P-22 war -, wurden die Regeln des Zoos geändert: Nachts müssen die Tiere nun drinnen bleiben.

Die größte Wildtierbrücke der Welt

Es gibt nur ein kleines Problem für P-22: Er ist zwar ein wunderschönes Tier, hat keinerlei männliche Konkurrenz - und dennoch kein Glück in der Liebe, weshalb sie ihn in Los Angeles auch den "Brad Pitt der Pumas" nennen. Er ist nun mal der einzige Puma in der Gegend. "Es ist überhaupt kein Problem, dass er hier ist; es sollte ihm nur möglich sein, auch woanders hinzugehen oder Besuch zu empfangen", sagt Riley. Genau daran arbeiten sie derzeit in L.A.: Sie haben gerade den Grundstein gelegt für ein 87-Millionen-Dollar-Projekt, eine Brücke für Tiere über den Freeway 101, die größte weltweit.

Von oben aus betrachtet wird diese Brücke im Liberty Canyon aussehen, als würde sich die Natur ein klein wenig Platz von den Menschen zurückholen, weil sie nicht asphaltiert sein wird, sondern mit Gras bewachsen. Tiere wie Eidechsen, Opossums und Luchse sollen über sie hinüber in den Griffith Park spazieren können - und möglicherweise ja auch eine Partnerin für P-22. Damit Brad-Pitt-Puma endlich glücklich wird.

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