Passau:Nach Passauer Gewalttat: Wandel in der Streitkultur

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München (dpa/lby) - Der Münchner Psychologe Klaus Neumann sieht einen deutlichen Wandel in der Streitkultur - hin zu mehr Brutalität. Auch in Zeiten des Internets sei nicht ungewöhnlich, dass Streitereien persönlich ausgetragen werden. Jedoch: Wenn früher Streitende handgreiflich wurden, habe man aufgehört, wenn einer zu Boden ging, und man sei fair geblieben. Das habe sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahren zunehmend verändert, sagte Neumann, Beauftragter für Kindeswohl und Kinderrechte im Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP), der Deutschen Presse-Agentur.

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München (dpa/lby) - Der Münchner Psychologe Klaus Neumann sieht einen deutlichen Wandel in der Streitkultur - hin zu mehr Brutalität. Auch in Zeiten des Internets sei nicht ungewöhnlich, dass Streitereien persönlich ausgetragen werden. Jedoch: Wenn früher Streitende handgreiflich wurden, habe man aufgehört, wenn einer zu Boden ging, und man sei fair geblieben. Das habe sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahren zunehmend verändert, sagte Neumann, Beauftragter für Kindeswohl und Kinderrechte im Berufsverband Deutscher Psychologen (BDP), der Deutschen Presse-Agentur.

In Passau hatten sich am Montag zwei Jugendliche verabredet, um einen Streit zu klären. Die zunächst verbale Auseinandersetzung geriet außer Kontrolle, einer der beiden 15-jährigen Kontrahenten starb. Am Samstag findet eine Trauerfeier für den Schüler statt.

Auch heute besprächen Jugendliche viele Dinge durchaus direkt, nicht nur digital, sagte Neumann. „Das Digitale ist eher die Vorbereitung des Analogen.“ Jugendliche wollten persönlich in Kontakt sein, säßen auf Parkbänken zusammen und redeten über Gott und die Welt. Ein Streit werde dann direkt verbal ausgetragen. „Man kann digital jemanden ins schlechte Licht rücken oder mobben. Aber dann steht man sich doch wie im archaischen Leben gegenüber und es beginnt das Hauen und Stechen.“

Zwei Kontrahenten fechten etwas aus - wie in einem Boxkampf -, hinterher gibt man sich die Hand und das war's - das sei keine ungewöhnliche Situation. „Nur, dass man eben irgendwann aufhört, das ist verloren gegangen.“ Oder dass die Umstehenden eingreifen und jemand einen Unfallwagen ruft. Denn auch wer dabeistehe, müsse Verantwortung übernehmen.

Zwar sei er kein Befürworter tätlicher Auseinandersetzungen, sagt Neumann, jedoch: Ein echtes Duell hat etwas Nobles. Aber das ist heute nicht mehr gegeben. Und das ist das Üble. Der Psychologe spricht hier von Maßlosigkeit, Grenzenlosigkeit und Regellosigkeit.

Das lasse sich auch auf die Politik übertragen. „Was früher nicht denkbar und schon gar nicht sagbar war, ist heute sagbar.“ Er nennt als Beispiel die Echo-Verleihung. Da gerieten Künstler in die Kritik für Formulierungen, von denen man früher gesagt habe: Das geht gar nicht, das versteht sich doch von selbst. Diese Selbstverständlichkeit gebe es nicht mehr. „Der notwendige Konservatismus ist verloren gegangen.“

Als einen der Gründe für diese Entwicklung sieht Neumann die zunehmende Besinnung des Einzelnen auf sich selbst. Das Individuum stehe im Vordergrund und das Streben nach Wohlstand. „Wir sind weggekommen von dem Gefühl: die Gemeinschaft zählt.“ Jedoch könne der Mensch ohne die Gemeinschaft nicht leben. Das habe auch stark mit Empathie zu tun. „Wer die Einstellung hat, dass er nicht alleine lebt, der hat schon mal Empathie.“

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