Skulpturen:Denk mal an die Katze

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Stadtbekannter Streuner: Kater Chicco aus Memmingen. (Foto: Privat)

In Memmingen wird Kater Chicco mit einer Bronzestatue gewürdigt - kein Einzelfall. Warum derlei Katzenliebe völlig gerechtfertigt ist.

Von Elisa Britzelmeier

Eine Katze wird also mit einem Denkmal geehrt. Weil die Menschheit sich bekanntlich aufteilt in Katzenmenschen, Hundemenschen und Mir-Wurscht-Menschen, dürfte diese Nachricht aus dem Allgäu nur für die Katzenmenschen selbsterklärend sein.

Für alle anderen: Der Memminger Kater Chicco war stadtbekannt, am liebsten hielt er sich in der Innenstadt auf. Er war in der Bäckerei anzutreffen, im Hörgeräteladen, im Zigarrengeschäft. Man sah ihn zusammengerollt, schlafend, auf dem Tresen, der Sitzbank, dem Caféstuhl. Von diesen Begegnungen kann man online nachlesen, etwa auf Chiccos Website und Chiccos Facebookseite, dort werden seine Verdienste ausführlich gewürdigt: Er habe "die Stadt mit seiner freundlichen, ja höflichen Art bereichert", heißt es da, "mich zur Bank begleitet" oder "süß miaut". Zudem: "Du hast deine Streichler genossen".

Er leistete, was eine Katze nur leisten kann: Er war da.

Im Januar aber wurde bekannt, dass Chicco gestorben ist. (Man fand ihn tot im Stadtbach, Zitat Website: "Chicco ist völlig unerwartet über die Regenbogenbrücke gegangen"). Es wurden Spenden gesammelt, die Memminger Künstlerin Cornelia Brader verewigte Chicco in Bronze, am Montag wird die Skulptur enthüllt.

Auch Samuel Johnsons Kater ist als Statue verewigt

Damit scheint Memmingen einerseits voranzuschreiten - zuletzt diskutierten sie ja andernorts darüber, ob Statuen umstrittener historischer Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Raum verschwinden sollten. Hier wird einfach eine neue hinzugefügt, als gäbe es keine Hundemenschen.

Andererseits: So innovativ ist die Idee auch wieder nicht, wie ein Blick auf die internationale Katzendenkmalkultur verrät. Da wären etwa der Kater Jelissej und die Katze Wassilissa aus Sankt Petersburg. Die beiden Skulpturen stehen sich schon seit Jahren an zwei Häuserfassaden im Zentrum von Sankt Petersburg gegenüber, stellvertretend für die vielen Katzen, die halfen, die Stadt während des Zweiten Weltkriegs von einer Rattenplage zu befreien.

Da wäre Hodge, der Kater des Autors und Gelehrten Samuel Johnson. Er lebte im 18. Jahrhundert in London und ist heute vor dem Haus Johnsons in Bronze verewigt. Über Hodge ist überliefert, dass er "mit großem Behagen" an Johnson emporkletterte, zudem soll ihm Johnson persönlich Austern gekauft haben, übrigens damals noch ein Arme-Leute-Essen.

Und da wäre die Istanbuler Katze Tombili, berühmt geworden durch das Internet, gestorben 2016, gewürdigt mit einer Bronzeskulptur an einer Treppenstufe. Tombili, was "Pummelchen" bedeutet, lebte im Bezirk Kadıköy und wurde bekannt, weil sie sich gern allzu menschenartig auf Bordsteinkanten aufstützte. In dieser Chillerpose hat man Tombili fotografiert, während sie gedankenversunken auf die Straße schaut. Das Bild landete im Internet, und Tombili war berühmt.

Berühmter Chiller aus Istanbul: der Kater Tombili als Statue. (Foto: Ozan Kose/AFP)

Chillen, Austern essen, Ratten jagen: katzige Kernkompetenzen, und mehr braucht es gar nicht für Ruhm und Ehre. Katzenmenschen wissen das natürlich, den Hunde- und Mir-wurscht-Menschen sei an dieser Stelle aber gesagt: Katzen stehen immer auch für ein bisschen Unvernunft, für Anarchie und die Abkehr vom Leistungsdenken. Weswegen im Grunde jede Katze ein Denkmal verdient.

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